© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

BRIEF AUS BRÜSSEL
Das eigene Volk zuerst
Andreas Mölzer

Wenn diese Woche eine neue rechtsdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament entstanden ist, so bedeutet dies nicht, daß dadurch eigene nationale Interessen irgendeiner europäischen Gemeinsamkeit geopfert werden.

Die patriotischen und nationalen Parteien haben sich lediglich auf einen Minimalkonsens geeinigt: die Erhaltung der kulturellen und christlichen Traditionen Europas, die Beibehaltung der Souveränität der EU-Mitgliedstaaten und der Identität der europäischen Völker sowie die Stärkung der europäischen Familien als Keimzelle der Gesellschaft. Auf dieser Basis hat man dem Straßburger Parlamentspräsidium die Gruppe Identität/Tradition/Souveränität (ITS) angemeldet.

Realpolitisch bedeutet dies, daß man gemeinsam gegen die Einführung der zentralistischen EU-Verfassung und die Entwicklung hin zu einem europäischen Bundesstaat kämpfen wird. Überdies tritt die ITS vehement gegen den Türkei-Beitritt und die Massenzuwanderung nach Europa auf. Unbeschadet solcher Gemeinsamkeiten bleibt den EU-Fraktionsmitgliedern selbstverständlich die Wahrung ihrer nationalen - und gegebenenfalls entgegengesetzten - Interessen im vollen Umfang gewährleistet.

Das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler und die Überwindung der Unrechtsgrenze am Brenner ist für die FPÖ weiter selbstverständlich - auch wenn eine italienische Partnerpartei diesbezüglich völlig anderer Meinung ist. Eine friedliche, auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker fußende Überwindung von Nachkriegsgrenzen in Europa (einschließlich der Oder-Neiße-Linie) muß nach Ansicht der Freiheitlichen weiterhin möglich bleiben - auch wenn derlei Fragen für die aktuelle FPÖ-Politik keinerlei Relevanz haben. Die Freiheitlichen sind zugleich dafür, die Rechte des polnischen Volks auf Respekt und staatliche Integrität absolut zu wahren.

Dennoch bleibt für uns die Vertreibung des Deutschtums zu Ende des Zweiten Weltkriegs ein Völkermordverbrechen. Die kulturellen Leistungen unserer Landsleute im Sudetenland, auf dem Balkan oder in den Ostgebieten bleiben für uns ein unverzichtbarer Teil der europäisch-abendländischen Kultur. Die moralischen und vermögensrechtlichen Ansprüche unserer Landsleute sind für uns ebenso unverzichtbar - auch wenn in der gegenwärtigen europäischen Politik der friedliche Ausgleich insbesondere mit unseren Nachbarvölkern, die nunmehr ebenso EU-Mitgliedsländer sind, ein vorrangiges Ziel aktueller Politik sein muß.

Alte Kerngebiete deutscher Kultur wie das Elsaß, Südtirol und auch Schlesien, Ostpreußen, Siebenbürgen und das Banat bleiben für uns Teile des deutschen Kulturkreises - auch wenn Schwesterparteien in der EU-Fraktion wie der französische Front National (FN) oder die Großrumänien-Partei (PRM) aufgrund ihrer zentralistischen und etatistischen Traditionen, die auf dem Prinzip der Staatsnation beruhen, dies völlig anders sehen.

Diese Wahrung unserer nationalen deutsch-österreichischen Interessen wird uns aber in keiner Weise daran hindern, loyal und in partnerschaftlicher Weise mit den rechtsdemokratischen Schwesterparteien auf der europäischen Ebene - insbesondere auf jener des Europäischen Parlaments - zusammenzuarbeiten.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.


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