© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

"Internationale der Nationalisten"
Europaparlament: Rechtsfraktion UEN stärker als Grüne und Linke / EU-Erweiterung ermöglicht neue Fraktion ITS
Jörg Fischer

Für die 42 Grünen und 41 Linken im EU-Parlament beginnt das neue Jahr mit einer weiteren Niederlage. Während die bürgerliche EVP, die Sozialdemokraten und die Liberalen infolge der EU-Erweiterung von rumänischen und bulgarischen Abgeordneten gestärkt werden, gehen sie leer aus. Schon Ende letzten Jahres mußten die Grünen Platz vier bei der Fraktionsstärke an die - durch den Beitritt der italienischen Lega Nord und der polnischen Regierungsparteien Samoobrona und LPR gestärkte - Rechtsfraktion Union für das Europa der Nationen (UEN) abgeben.

Doch das ist nicht alles. Am Montag meldeten 20 Abgeordnete aus sieben EU-Ländern eine weitere neue rechtsdemokratischen Fraktion unter dem endgültigen Namen Identität/Tradition/Souveränität (ITS) im Straßburger Europaparlament an (JF 3/06). Schon im Vorfeld wehte den Initiatoren ein eisiger Wind entgegen - Halbwahrheiten und sogar Falschmeldungen über die Mitglieder der rumänischen EU-Delegation inklusive (siehe Seite 20).

Wahr ist allerdings, daß der 23jährige bulgarische Ataka-Jungpolitiker Dimitar Stojanow, der im vergangenen Jahr als Parlamentsbeobachter mit derber Ironie über die ungarische Zigeuner-Abgeordnete Lívia Járóka für einen Eklat gesorgt hatte, zur ITS gehört (JF 41/06). "Die Politiker aus den neuen EU-Staaten sind nun mal rauhere Sitten in der Auseinandersetzung gewohnt als wir", erklärte EU-Parlamentarier Andreas Mölzer. Dort gehe es eben nicht immer politisch korrekt zu. "Wir sollten den neuen EU-Parlamentariern einen Vertrauensvorschuß geben." Hinzu kommt, daß Ataka-Chef Wolen Siderow derzeit der wohl populärste bulgarische Oppositionspolitiker ist. Im Oktober 2006 zwang der wortgewaltige Fernsehjournalist und Nato-Kritiker den postkommunistischen Präsidenten Georgi Parwanow in die Stichwahl (JF 44/06). Aus den bulgarischen Europawahlen im Mai diesen Jahres dürfte die antitürkische Ataka daher gestärkt hervorgehen.

Eigentlicher Stein des Anstoßes für die etablierten Fraktionen ist jedoch wohl der französische Front National, der mit FN-Vize Bruno Gollnisch auch den ITS-Vorsitzenden stellt. Bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2002 verwies FN-Chef Jean-Marie Le Pen den Sozialisten Lionel Jospin auf Platz drei und verhalf so indirekt Amtsinhaber Jacques Chirac zu einer triumphalen Wiederwahl (JF 18/02).

Die EU-Sozialdemokraten wollen daher die "Internationale der Nationalisten" isolieren und von "repräsentativen Ämtern" fernhalten. Daß solche Leute überhaupt im Europaparlament säßen, sei schon "unerträglich" genug, empörte sich deren Chef Martin Schulz (SPD).

Die Fraktion der EU-Linken denkt schon weiter. Wenn die ITS im Europaparlament "salonfähig" werde, könne dies "Signalwirkung" haben. In der Tat: Eine gemeinsame ITS-Europaliste könnte 2009 auch Protestparteien aus Staaten wie Deutschland ins Europaparlament verhelfen und nicht nur der Linkspartei/PDS EU-kritische Wählerstimmen abjagen. Und wenn es beispielsweise um die Ablehnung der EU-Verfassung geht, sind sich Linke und Rechte näher, als sie zugeben wollen.


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