© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

"Liebe Frau Rice, bitte besuchen Sie nicht Herrn Abbas!"
Nahost-Konflikt: Peter Scholl-Latour, der Al-Dschasira-Journalist Aktham Suliman und der Israeli Ygal Avidan im Berliner Streitgespräch
Christian Dorn

Die Grenze zwischen der arabischen und der israelischen Sicht auf den Nahostkonflikt wurde Montagabend in Berlin-Mitte deutlich. Dort, neben den Hackeschen Höfen, hat kürzlich der schweizerische Ringier-Verlag die "Cicero-Galerie für politische Fotografie" eröffnet - mit Bildern des israelischen Fotografen Yishay Garbasz, der in großflächigen Farbaufnahmen Israels Mauerbau dokumentiert hat.

Im Rahmen von "The Fence" fand jetzt der erste Themenabend unter dem Titel "Syrien - Israel - Libanon: Nachbarn im Streit" statt. Ausgangspunkt war Israels Bombenkrieg gegen die Hisbollah in Südlibanon vom Sommer 2006. Dieser, so stellte der Gastgeber und Generalsekretär der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, Harald-Moritz Bock (ein früherer Vertrauter von Ex-FDP-Vize Jürgen Möllemann), eingangs klar, habe selbst Zeitungen wie Die Welt und die Jüdische Allgemeine dazu geführt, Kritik an Israel zu üben. Die betonte Kunstpause, mit der er die beiden Zeitungen erwähnte, schien zugleich ein deutlicher Kommentar zu sein, der in diesem Rahmen wohl für sich sprechen sollte.

Dort hatte es der aus Israel stammende und seit 1989 in Deutschland lebende Journalist Ygal Avidan nicht leicht, die israelische Position auch nur verständlich zu machen. Der ebenfalls auf dem Podium vertretene Nahost-Experte Peter Scholl-Latour sowie der aus Syrien stammende, aber mit deutschem Paß ausgestattete Deutschland-Korrespondent von Al-Dschasira TV, Aktham Suliman, führten - aus Sicht des überwiegend arabischstämmigen oder arabophilen Publikums - alle Unzulänglichkeiten des Westens, insbesondere Amerikas vor Augen. Dies betraf vor allem die Haltung gegenüber der durch Wahlen legitimierten Hamas-Regierung, die man zu übergehen versuche, anstatt realistisch zu reagieren: sie als Gesprächspartner anzuerkennen.

Große Belustigung rief eine mehrfach wiederholte Formulierung Sulimans hervor: "Liebe Frau Rice, bitte besuchen Sie nicht Herrn Abbas! Jedesmal, wenn Sie ihm die Hand schütteln, wird er zuhause schwächer." Minutiös belegte der Al-Dschasira-Journalist diesen Mechanismus anhand der einzelnen Entwicklungen.

Wie fundamental das Verständigungsproblem ist, das kaum auf eine baldige Kompromißlösung hoffen läßt, zeigte sich an der Frage des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge. Ein Raunen ging durch den Saal, als Avidan erwiderte, die Flüchtlinge könnten natürlich nach Palästina zurückkehren - denn dies sei ja nicht Israel. Scholl-Latour schien darob einfach sprachlos.

Ähnlich grotesk gestalteten sich die - aus Sicht Avidans - hoffnungsvollen Zeichen, die er in der aktuellen politischen Entwicklung und Rückenstärkung durch den US-Präsidenten sah. Bush aber werde in der arabischen Welt wie auch bei Scholl-Latour als unkalkulierbares Risiko gesehen. Schlagfertig entgegnete Suliman in feiner Ironie: "Immerhin ist Bush nicht auf unserer Seite, wenigstens da müssen wir uns keine Sorgen machen."

Die vor wenigen Tagen für Aufregung sorgende Bemerkung des im syrischen Exil lebenden Hamas-Chefs Chaled Maschaal, der die Existenz Israels erstmalig indirekt anerkannt hatte, spielte indes keine Rolle. Diesbezügliche Nachfragen bei den Podiumsteilnehmern ergaben unterschiedliche Antworten: Für Suliman ist eine solche Hamas-Äußerung völlig neu, Scholl-Latour dagegen winkt ab, sieht dort eher Taktiererei, während Avidan syrischen Druck vermutete.


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