© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/07 19. Januar 2007

"Seht her, es gibt eine Alternative!"
Seit Montag hat das Europaparlament eine neue Rechtsfraktion. Der Franzose Bruno Gollnisch führt sie an
Moritz Schwarz

Herr Professor Gollnisch, die neue Rechtsfraktion im Europäischen Parlament mit dem Namen "Identität, Tradition, Souveränität" (ITS) ist gegründet. Die Bundesrepublik Deutschland, das größte EU-Land, ist darin allerdings nicht vertreten.

Gollnisch: Und das, obwohl Deutschland mit 99 Abgeordneten die meisten aller Straßburger Parlamentarier unter den europäischen Nationen stellt. Wir bedauern das sehr.

Der Grund dafür ist, daß es im Unterschied zu fast allen anderen EU-Staaten in der Bundesrepublik keine politisch relevante, demokratische Rechtspartei gibt. Woran liegt das?

Gollnisch: Weil unser früherer deutscher Kooperationspartner im Europäischen Parlament, die Republikaner, durch die Political Correctness diskreditiert und durch das Wirken der politischen Polizei in Deutschland unterwandert worden sind. Was allerdings von den damaligen Vorwürfen zu halten ist, sehen Sie zum Beispiel daran, daß das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2006 in einem vom Landesverband Berlin vor Jahren angestrengten Prozeß bestätigt hat, daß die Anschuldigungen samt und sonders haltlos sind und die Republikaner unzulässigerweise vom Verfassungsschutz als "rechtsextrem" gebrandmarkt wurden.

Sehen Sie in Deutschland eine Partei, die sich zu einem Partner für Sie entwickeln könnte?

Gollnisch: Es ist zu früh, um solche eine Frage zu beantworten. Aber ich sage Ihnen, Europa befindet sich in einer sich zuspitzenden Krisensituation. Die sozialen Spannungen nehmen zu, das Vertrauen in die etablierten politischen Eliten schwindet, neue Herausforderungen wie die Folgen der Masseneinwanderung, der militante Islamismus, der Terrorismus, die Globalisierung und unser Geburtendefizit bedrohen die politische, soziale und kulturelle Sicherheit der Europäer. Die Linken und die Etablierten sind immer weniger in der Lage, die Fragen der Bürger in dieser Hinsicht noch zu beantworten. In dieser Krise müssen reformfähige, neue politische Kräfte bereitstehen. Ich glaube, daß unserer Erfolg auch ein Signal an die Bürger sein kann: "Seht her, es gibt eine Alternative!"

Sie hoffen auf einen Rückkoppelungseffekt aus Europa auf Deutschland?

Gollnisch: Ja, vielleicht wird das Beispiel unserer Fraktion ITS dazu beitragen, daß auch in Ländern wie Deutschland, in denen es derzeit keine politisch ernst zu nehmende patriotische Alternative mehr gibt, eine solche Kraft neu entsteht.

Was sind die politischen Ziele von ITS?

Gollnisch: Erstens, wie der Name schon anzeigt, ist das Ziel, die Souveränität, Tradition und Identität sowohl Europas als auch seiner Nationalstaaten zu bewahren. Die europäische Zivilisation hat für die Welt die Idee der Freiheit und der Gleichheit der Nationen hervorgebracht. Wir wollen dieses europäische Erbe bewahren. Zweitens, wir wollen der europäischen Dekadenz begegnen: dem Verfall unserer Gesellschaften durch Kriminalität, Geburtenschwund und sozialem Zusammenbruch durch Zerstörung unserer wirtschaftlichen Grundlage infolge unfairen Wettbewerbs. Ich spreche vom Import von Billigprodukten, hergestellt durch die Ausbeutung Hunderttausender von Arbeitssklaven etwa in asiatischen Ländern. Wir wollen nationale Lösungen für diese Probleme finden. Die europäischen Nationen sollen deshalb in wichtigen Bereichen kooperieren. Was wir aber nicht wollen, ist ein europäischer Superstaat, der nämlich nur die Vorstufe dessen bedeutet, was wir eigentlich bekämpfen: die Zerstörung der europäischen Nationen und Kulturen durch die Globalisierung.

Von den anderen Fraktionen wurde ITS bereits zu "Feinden Europas" erklärt.

Gollnisch: Nicht wir, sie sind die Feinde Europas! Warum? Weil sie sich an dem, was Europa ausmacht, vergehen. Sie streben einen europäischen Superstaat an und verraten damit das europäische Erbe und den europäischen Geist. Europa ist die Vielfalt und die Freiheit. Wer die Unabhängigkeit der europäischen Nationen zugunsten eines Brüsseler Zentralstaates aufgeben will, der verrät diese Werte.

ITS ist Teil der EU und will ihr doch in die Speichen greifen.

Gollnisch: Sie folgen mit dieser Darstellung der Logik derer, die ihre eigenen politischen Interessen einfach zu denen Europas erklären. Das ist so, als ob Ihre Regierung in Berlin behaupten würde, Kritik an ihr sei gleichbedeutend mit Kritik am Vaterland und am politischen System der Demokratie. Das wäre doch infam. Das EU-Establishment und die EU-Bürokratie sind nicht Europa!

Außer ITS gibt es im Europäischen Parlament noch zwei weitere national orientierte Fraktionen, die Union für ein Europa der Nationen (UEN) und Unabhängigkeit und Demokratie (ID).

Gollnisch: Die Zersplitterung der rechten Parteien im Europäischen Parlament ist nicht unsere Schuld. Sie geht vielmehr auf das Konto derer, die - beeinflußt von der tendenziösen Berichterstattung der politisch korrekten Medien - meinen, sich von anderen patriotischen Parteien distanzieren zu müssen. Denken Sie nur an den Streit im letzten Jahr in der ID-Fraktion um die Auseinandersetzung mit dem Islam, der im Zerwürfnis mit den islamkritischen Italienern der Lega Nord und Polen der nationalkatholischen LPR endete, die schließlich die ID verlassen haben.

Sie haben mit Lega Nord und LPR verhandelt, dennoch gehören sie ITS nicht an. Warum?

Gollnisch: Wir haben mit vielen verhandelt, unter anderem gab es auch Gespräche mit britischen Tories. Leider waren nicht alle Verhandlungen erfolgreich.

Es heißt, Lega-Chef Umberto Bossi und Front-National-Chef Le Pen hätten sich nicht vertragen.

Gollnisch: Daß es nicht geklappt hat, ist die Folge der Entscheidung derjenigen, die nicht mitmachen. Fragen Sie dort nach, was ihnen nicht gepaßt hat.

Ist eine Fusion von ITS, UEN und ID langfristig vorstellbar?

Gollnisch: ITS hat kein Abgrenzungsproblem zu den beiden anderen Fraktionen, und wenn eine Fusion gelänge, würde damit die drittstärkste Fraktion des Europäischen Parlaments entstehen. Es gibt allerdings inhaltliche Differenzen. Wir haben zum Beispiel Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Opposition der UEN gegen die immer weiter wuchernde EU-Bürokratie. Aber wie ich schon sagte, letztlich sind nicht wir das Problem, sondern ID und UEN. Diese waren es, die in der Vergangenheit lieber den politisch korrekten Unwahrheiten unserer gemeinsamen politischen Gegner geglaubt und den Beitritt der nun in der ITS zusammengeschlossenen Parteien zu ihren Fraktionen abgelehnt haben. Auf jeden Fall aber sind wir für eine Kooperation mit allen, die unsere Ziele grundsätzlich teilen, offen!

Gibt es realistische Aussichten, daß sich die Fraktion durch weitere Beitritte vergrößert?

Gollnisch: Ja. Die Mitgliederstärke unserer Fraktion wird sich in naher Zukunft schon deshalb erhöhen, weil bis zur Europawahl 2009 Rumänien und Bulgarien die Zahl ihrer Europaabgeordneten entsprechend der Parteistärke in ihren nationalen Parlamenten stellen. Da sowohl die rumänische PRM wie auch die bulgarische Ataka bei den nächsten Parlamentswahlen zu Hause wohl dazugewinnen werden, werden sie künftig auch mehr Abgeordnete nach Europa entsenden. Außerdem hoffen wir auch Vertreter anderer Parteien mit einer soliden Parlamentsarbeit der ITS für uns zu gewinnen.

Vertreter welcher Parteien könnten das sein?

Gollnisch: Ich denke da zum Beispiel an Polen oder Slowaken. Wir werden sehen.

Warum ist es so wichtig, eine Fraktion zu bilden?

Gollnisch: Es gibt eine lange Liste von Rechten und Möglichkeiten, die Abgeordnete nur bekommen, wenn sie Fraktionsstatus haben. Man erhält mehr Mittel, mehr Mitarbeiter, eine bessere Raumausstattung, mehr Redezeit im Plenum, Antragsrecht etc. etc. So erst ist eine effektive Parlamentsarbeit überhaupt möglich.

Spürbaren politischen Einfluß wird Ihre Gruppe deshalb aber dennoch nicht gewinnen.

Gollnisch: Nun, das Europäische Parlament hat 785 Abgeordnete, ITS vorerst nur zwanzig. Natürlich sind wir eine Minderheit und werden daher nicht bestimmen können, wie die Dinge in Straßburg laufen. Wir können aber dank des Fraktionsstatus unsere Stimme als Opposition wesentlich lauter erheben. Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, daß man in der Politik in größeren Zusammenhängen denken muß: Während des zweiten französischen Empire unter Kaiser Napoleon III. war die Partei der Republikaner auch eine Minderheit. Doch dann besiegten Bismarck und Moltke den Kaiser 1870 in der Schlacht von Sedan. Napoleon dankte ab, und in Paris kamen die Republikaner an die Macht, um das Land vor der Katastrophe zu bewahren. Was ich damit sagen möchte: Die Verhältnisse ändern sich, früher oder später.

Die Bildung von ITS wurde erst durch den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU am 1. Januar möglich. Allerdings unterscheidet sich der politische Stil in Osteuropa erheblich von dem in West- und Mitteleuropa. Gibt es innerhalb von ITS nicht eine kulturelle Kluft zwischen den west- und den osteuropäischen Parteien?

Gollnisch: Das mag schon sein. Die Osteuropäer waren jahrzehntelang hinter dem Eisernen Vorhang eingesperrt, ihre Gesellschaften haben sich anders entwickelt und sie haben andere historische Erfahrungen gemacht. Da ist es nur natürlich, daß es Unterschiede gibt.

Stellen diese Unterschiede keine Gefahr für den Bestand von ITS dar?

Gollnisch: Das glaube ich nicht, Unterschiede sind normal, und vernünftige Menschen können mit ihnen umgehen. Ich darf außerdem daran erinnen, daß es diese Unterschiede auch unter den Westeuropäern gibt. Denken Sie nur daran, daß der Front National in französischer Tradition stark zentralstaatlich ausgerichtet ist, während Vlaams Belang klassische Regionalisten sind. ITS arbeitet auf Grundlage der politischen Agenda, die im November 2005 als "Wiener Erklärung" von Vertretern acht europäischer Rechtsparteien verabschiedet wurde (JF 47/05). Dieses Grundsatzprogramm für ein freiheitliches Europa auf Grundlage der Nationalstaaten in politischer und des Christentums in kultureller Sicht stellt eine sichere Basis für unsere Zusammenarbeit dar.

PRM und Ataka gelten als sehr umstritten. Ataka-Chef Wolen Siderow etwa soll propagieren, Bulgarien sei nur "mit der Kalaschnikow zu regieren", und die "Liquidierung von Zigeunerbanden" gefordert haben.

Gollnisch: Es ist immer das gleiche. Da wird ein Zitat in Umlauf gesetzt, das dann einer vom anderen abschreibt. Ich frage: Wer hat das wann wo und in welchem Zusammenhang wirklich gesagt? Denn ich weiß, was an politisch korrekten Lügen etwa über den Front National, Vlaams Belang oder die deutschen Republikaner verbreitet wurde und wird. Erinnern Sie sich, welche Behauptungen man über Ihre Zeitung aufgestellt hat? Wie der Verfassungsschutz und die Medien mit Ihnen umgesprungen sind, bis das Bundesverfassungsgericht diese Lügen in dem von Ihnen angestrengten Prozeß 2005 vom Tisch gewischt hat?

Es stimmt, es ist bezeichnend, daß sich über zutiefst korrupte, stalinistische oder nationalistische Abgeordnete in anderen Fraktionen niemand aufregt. Allerdings, selbst Ihr Fraktionskollege Andreas Mölzer hat festgestellt, er würde den politischen Stil einiger ITS-Partner "nicht unterschreiben".

Gollnisch: So hat er das niemals gesagt. Sie unterschätzen, wie skrupellos die Lügen-Propaganda der Political Correctness sein kann! Ein weiteres Beispiel: Die Tageszeitung Die Welt zitiert in einem Artikel über die ITS vom 9. Januar einen angeblichen ITS-Politiker, den Rumänen Dumitru Dragomir, mit antisemitischen Äußerungen. Nur: Herr Dragomir gehört der ITS gar nicht an! In einer rumänischen Zeitung wiederum lese ich, Le Pen habe in Frankreich CDs mit Nazi-Inhalten herausgegeben. Ich kenne diese Tonträger, es handelt sich um historische Dokumentationen, die sich mit allen möglichen Epochen befassen, darunter eben auch der Zweite Weltkrieg. Auf der entsprechenden Platte finden sich dann neben Zitaten aller möglichen politischen Richtungen der damaligen Zeit eben auch die von Nationalsozialisten. Oder: Jüngst hat man unsere Fraktion in der Presse als eine "Bande von Hooligans" bezeichnet. Unter diesen "Hooligans" befinden sich fünf Universitätsprofessoren, ein Arzt, ein Geologe, drei Unternehmer, drei Journalisten - alles "typische Hooligans", nicht wahr?

Gegen Sie läuft ein Verfahren wegen Leugnung des Holocaust, das am 18. Januar entschieden wird.

Gollnisch: Ich sprach über den Fall Katyn, also die Ermordung der polnischen Eliten durch die Sowjets 1940. Anwesende Journalisten begannen plötzlich Fragen über Nazi-Deportationen und Konzentrationslager zu stellen. Ich entgegnete, daß diese Fragen - die die Journalisten aufwarfen - Sache der Historiker sind. Das ist alles. Sie sehen, der Vorwurf ist blanker, politisch korrekter Unsinn.

 

Prof. Dr. Bruno Gollnisch ist Vorsitzender der neuen Rechtsfraktion im Europäischen Parlament "Identität, Tradition, Souveränität". Der ehemalige Generalsekretär des Front National ist Rechtsanwalt und Professor für Japanologie an der Universität Lyon. Geboren wurde er 1950 nahe Paris.

"Identität, Tradition, Souveränität":

Die zunächst als "Identität, Souveränität, Transparenz" (IST) bezeichnete, nun umbenannte Fraktion ITS wurde am 15. Januar gegründet. Ihr gehören Parlamentarier aus sieben EU-Staaten an:

• Frankreich: Front National (FN), sieben Abgeordnete

• Rumänien: Großrumänien- Partei (PRM), fünf Abgeordnete

• Belgien: Vlaams Belang (VB), drei Abgeordnete

• Italien: Altanativa Sociale/Azione Sociale (AS), zwei Abgeordnete (Alessandra Mussolini)

• Bulgarien: Ataka, ein Abgeordneter

• Österreich: FPÖ, ein Abgeordneter • Großbritannien: ein parteiloser Abgeordneter.

ITS ist die vierte "Rechtsfraktion" im Europäischen Parlament.

 

Stichwort "Europäische Rechtsfraktion":

Die erste - wenig erfolgreiche - "Technische Fraktion der Europäischen Rechten" (TFER) bildeten 1989 bis 1994 zunächst 17 Abgeordnete des Front National, der deutschen Republikaner und des Vlaams Blok (heute: Belang). 1994 gründete sich aus eher linksnationalem Ursprung die Fraktion Unabhängigkeit und Demokratie (ID) mit heute 23 Mitgliedern. 1999 entstand die Fraktion Union für das Europa der Nationen (UEN), mit inzwischen 44 Abgeordneten die stärkste rechte Gruppe. 20 weitere Parlamentarier, die keine Aufnahme in ID und UEN gefunden haben, bilden nun die neue Fraktion ITS (mehr dazu auf Seite 8).

 

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