© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Meldungen

Ikonengeschmückte Kulturstaatlichkeit

WIEN. Glaubt man dem Wiener Politologen und Musikerzieher Michael Wimmer, so haben die jüngsten Parlamentswahlen die Alpenrepublik in letzter Minute vor der Transformation in den "Austrofaschismus" bewahrt. Gebannt, so Wimmer, sei die Gefahr allerdings immer noch nicht. Dafür hätte die ÖVP die Weichen in der Ära Schüssel zu nachhaltig in die falsche Richtung gestellt. Indikator für seinen Befund einer "austriakischen Restauration" ist die Kulturpolitik seit der "blau-gelben Machtübernahme" im Jahre 2000 (Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 3/06). Von Anfang an habe aber gerade die mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit bedachte FPÖ keine Rolle gespielt. Der "brachiale Durchsetzungswille" Kanzler Schüssels bestimmte allein die Strategie, die darauf hinauslief, die ÖVP von einer christlich-sozialen zu einer konservativ-liberalen Partei umzubauen, um gesellschaftspolitisch die autoritäre Wende durchzusetzen. Die "Kultur" erfülle in diesem Konzept nur eine Aufgabe als "Instrument zur Legitimation" von Machtansprüchen, glaubt Wimmer, ein großer Verehrer des SPÖ-Politikers Fred Sinowatz, der "bis heute gültige gesellschaftspolitische Maßstäbe" gesetzt habe. Kulturpolitik sei nunmehr identisch mit "ikonengeschmückter Kulturstaatlichkeit", die nach innen und außen "das Klischeebild Österreichs als einer völkerverbindenden Kulturnation" medienwirksam zelebrieren müsse. Sogar den "Habsburgischen Mythos" hätten Schüssels Kulturexperten wieder aufleben lassen, um durch "Eventisierung des kulturellen Erbes" ideelle Integration an die Stelle konkreter integrativer Sozialpolitik zu setzen. Die Förderung "gesellschaftskritischer" Kunst sei gleichzeitig mit dieser politischen Funktionalisierung eingestellt worden.

 

Energiesicherheit als wichtigste Unbekannte

BERLIN. Ende des Jahres läuft der 1997 geschlossene Partnerschaft- und Kooperationsvertrag der Europäischen Union mit Rußland aus. In Moskau bekundet man heute schon nicht das geringste Interesse an einer Verlängerung. Zu sehr sei Rußland in diesem Vertragswerk in die Position des Bittstellers geraten, der Kredite gegen Konzessionen erhalte. Gerade die gewachsene energiepolitische Statur von Wladimir Putins Reich verlange nach einem neuen Vertrag, den freilich der "lupenreine Demokrat" (Schröder über Putin), dessen Amtszeit Anfang 2008 endet, nicht aushandeln dürfte. Ob die EU dann realisieren könne, was ein Strategiepapier des Auswärtigen Amtes anpeilt, "Energiesicherheit als kooperatives Miteinander", scheint für Thomas Gutschker, der die neue "nüchterne Ostpolitik" des Gespanns Merkel/Steinmeier analysiert (Politische Studien, 12/06), fraglich. Die Zukunft der Energiebeziehungen stelle nämlich völlig unabhängig von Steinmeiers Parole "Annäherung durch Verflechtung" die "wichtigste Unbekannte" im Verhältnis Berlin/ Brüssel/Moskau dar. Das ungünstigste, zugleich aber wahrscheinlichste Szenario sei, daß weder die EU noch Rußland in Verhandlungen mit einer Stimme sprechen werde. Ob sich dann auf russischer Seite die Wirtschaftsliberalen um den möglichen Putin-Nachfolger Dmitrij Medwedjew oder die staatsmonopolistischen "Renationalisierer" im Geiste Putins durchsetzen können, scheint ebensowenig abschätzbar.

 

Erste Sätze

Als in den ersten Januartagen der Luftalarm in Elbing zunahm und ich Nacht für Nacht unsere kleinen Kinder aus dem tiefsten Schlaf reißen mußte, um sie in den kalten Keller zu bringen, beschloß ich, mich mit ihnen evakuieren zu lassen. (Else Krüger, Elbing 1945/46. Ein Bericht aus schwerer Zeit, Münster, 1995)


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