© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Staatsaufgabe
Karl Heinzen

Die Kampagne gegen das Rauchen ist längst von der Phase der unverbindlichen Aufklärung in jene der unverhohlenen Stigmatisierung eingetreten. Blasphemien wider die Gesundheitsreligion werden nicht mehr geduldet. Mehr und mehr sehen sich Raucher aus der Öffentlichkeit verdrängt. Der Staat dürfte kaum davor zurückschrecken, diesbezüglich auch ihre Privatsphäre zu regulieren, wenn er meint, nur auf diese Weise das Wohlbefinden unschuldiger Passivraucher schützen zu können. Da Rauchen eine Sucht ist, überwiegt noch das Mitleid mit jenen, die ihr verfallen sind. Irgendwann wird sich die Geduld der Gesellschaft aber erschöpfen, und sie wird allen, die ihre wohlmeinenden Angebote einer Entwöhnungstherapie beharrlich ausschlagen, die Rote Karte zeigen. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis Tabakkonsum und Tabakhandel nicht mehr nur sozial geächtet, sondern sogar in die Illegalität abgedrängt sind.

Dieses erfolgreiche Vorgehen gegen ein über Jahrhunderte geduldetes Laster straft alle Nörgler Lügen, die immer lamentieren, in einer modernen, offenen Gesellschaft ließen sich keine verbindlichen Glaubenssätze und Verhaltensnormen durchsetzen. Es ist vielmehr sogar erkennbar, daß die im Kampf gegen das Rauchen gesammelten Erfahrungen in Kampagnen einfließen werden, die anderes Fehlverhalten ins Visier nehmen.

Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist Großbritannien. Nachdem sich die Regierung in London am islamistischen Terrorismus immer noch die Zähne ausbeißt, hat sie nun das Fett zum Feind auserkoren, den sie mithilfe einer "Agentur für Lebensmittelnormen" zur Strecke bringen will. Diese Agentur ist für ein Kennzeichnungssystem verantwortlich, das die Verbraucher ohne große Umschweife über die wahre Qualität der von ihnen begehrten Produkte unterrichtet. Ist deren Verzehr unbedenklich, prangt auf ihnen ein grüner Punkt, wird von einem solchen abgeraten, sind sie mit einem roten Punkt gebrandmarkt. Für die derart als ungesund klassifizierten vorgeblichen Lebensmittel darf im Fernsehen vor 21 Uhr nicht mehr geworben werden.

Zuviel Fett, zuviel Fleisch, zu süß, zu salzig, zu vitaminarm, dazu Alkohol, Nikotin und Naschsüchte unterschiedlichster Art: Die Philosophie der individuellen Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ist durch die Ernährungspraxis der allermeisten Menschen in den Industrienationen gründlich widerlegt. Es mag heute schwierig geworden sein, von klassischen Staatsaufgaben zu sprechen. Die Aufsicht über die Ernährung ist eine unbestreitbare.


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