© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/07 12. Januar 2007

Symbolpolitische Offensive
Islam I: Die Auseinandersetzung um den Bau einer Moschee im Ostteil Berlins zeigt, wie sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben
Doris Neujahr

Der Verlauf der Auseinandersetzung um den Bau einer Moschee der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde in Berlin-Pankow (siehe unten) bestätigt Elisabeth Noelle-Neumanns Theorie der "Schweigespirale". Obwohl die Bevölkerung das muslimische Ausgreifen im Ostteil der Stadt ablehnt, befindet die Bürgerinitiative sich in der Defensive. Gegen sie stehen die Medien, fast das gesamte etablierte Parteienspektrum (bis auf die CDU), die Evangelische Kirche, die Antifa und neuerdings eine Gegeninitiative "Heinersdorf, öffne dich".

Dieses Bündnis wahrt mit allen Mitteln seine Deutungshoheit. Als auf das Haus des Pankower CDU-Vorsitzenden René Stadtkewitz, eines Wortführers der Moscheegegner, ein Brandanschlag verübt wurde (JF 37/06), mochten die anderen Parteien sich nicht einmal auf die klare Verurteilung der mutmaßlichen Täter verständigen. Dieses quantitativ kleine, aber einflußreiche Kartell hat die fällige Politisierung des Moscheenstreits bisher verhindert.

Eine aggressive Tendenz wird erkennbar

Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2006 schlug der Konflikt sich lediglich in drei Wahllokalen in der unmittelbaren Umgebung nieder. Die CDU wurde dort mit rund 30 Prozent stärkste Partei, die Republikaner und NPD erzielten zwischen 3 und 9 Prozent. Im Wahlkreis 5 (Pankow-Süd, Heinersdorf) mit seinen rund 30.000 Wahlberechtigten fiel das nicht ins Gewicht. Maßgeblich sind erstens das antifaschistische Tabu, zweitens die Beschränkung des politischen Denkens auf die Idee der "soziale Gerechtigkeit", womit die Teilhabe am Wohlstand gemeint ist, dessen wirtschaftliche, leistungsethische, gesellschafts- und bevölkerungspolitische Voraussetzungen aber schon jenseits des Horizonts liegen.

Eine infantile Gemüts- und Gemengelage aus Kurzsichtigkeit, Karriere- und Machtinteressen, Ideologemen, antideutschem Groll, religiösem und sozialem Romantizismus läßt nicht zu, daß die symbolpolitische Bedeutung, die die Errichtung einer Moschee im Ostteil Berlins in sich trägt, erkannt und thematisiert wird. Symbolpolitik heißt in diesen Fall nicht medienwirksame Ersatz- beziehungsweise Scheinhandlung, sondern ein politischer Akt, der durch das Setzen von Symbolen vollzogen wird. Diese Setzung macht die veränderte Sachlage und die Verschiebung der Kräfteverhältnisse öffentlich. Sie spornt diejenigen an, die die Verschiebung herbeigeführt haben, und drängt die anderen, die sie nicht verhindern konnten, noch mehr in die Defensive. Damit wird sie zum Ausgangspunkt weiterer Machtverschiebungen. In den westlichen Bundesländern findet der Moscheebau als symbolischer Nachvollzug und als Bestätigung demographischer, gesellschaftlicher und religiöser Verschiebungen statt. Derart konsolidiert, kann der Islam nun auf dem Gebiet der Ex-DDR, wo er bisher kaum Fuß gefaßt hat, eine Abkürzung einschlagen. Er beginnt hier mit der symbolpolitischen Offensive, die die materiellen Veränderungen in ihrem Gefolge antizipiert und psychologisch für sie den Boden bereitet.

Wenn man Querverbindungen zu ähnlich gelagerten Vorgängen, Äußerungen, Forderungen und Vorschlägen zieht, begreift man schnell, in welche Richtung sie allesamt weisen. Für sich genommen erscheinen sie oft nur bizarr, auch moderat, in der Summe aber wird die aggressive Tendenz erkennbar, zu der sie sich verdichten. So meldete sich im September 2006 der Berliner SPD-Politiker Badr Mohammed mit der Forderung zu Wort, den Berliner Schloßplatz mit einer zentralen Moschee zu bebauen.

Der 40 Jahre alte Badr Mohammed war 1976 aus dem Libanon nach Deutschland gekommen. Heute ist er Leiter der Projektgruppe Arabische Sozialdemokraten, Generalsekretär des Europäischen Integrationszentrums (EIZ) von Berlin-Brandenburg, Kommunalabgeordneter und einiges mehr. Auch an Wolfgang Schäubles Islam-Gipfel nahm er teil. Er war klug genug, seine Forderung mit Argumenten zu garnieren, die sich fugenlos in das bundesdeutsche Soziologengeschwurbel, in die Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsrhetorik einpassen. Er befürwortet eine "radikale Integration ohne Wenn und Aber". Dazu müßten die Muslime "auf die großen Plätze der Stadt", denn "die deutsche Hauptstadt braucht starke Symbole, die die Integration der Einwanderer fördern. Eine große Moschee auf dem Schloßplatz könnte ein gelungenes Beispiel dafür sein."

Man beachte die semantische Verschiebung des Begriffs "Integration". Ursprünglich bedeutet er die Wiederherstellung eines Ganzen durch die Einbeziehung außenstehender Elemente. Konkret geht es um die politische, kulturelle, bewußtseinsmäßige Eingliederung zugewanderter Personen und Gruppen und ihre Anpassung an ein allgemein verbindliches Normen- und Verhaltensmuster. Dieses Ganze wird nach der Inklusion neuer Elemente ein anderes sein als zuvor, allerdings gibt es eine klare Hierarchie zwischen dem System, das integriert - der deutsche Staat und die deutsche Gesellschaft - und den Integrierten, also den Ausländern, die dazugehören möchten. Eine Begegnung "auf Augenhöhe" findet nicht statt.

Was für eine Integration würde die Besetzung des Schloßplatzes durch eine Moschee signalisieren? Der Bau würde das Gravitationszentrum für die umliegenden Gebäude und den Endpunkt der Straße Unter den Linden bilden. Der deutschen Hauptstadt würde ein muslimisches Herz eingepflanzt. Wer würde dann wen integrieren?

Badr Mohammed begründet die Forderung so: "(...) wir bringen Leistungen. Wir Moslems müssen besser sichtbar gemacht werden. Die Deutschen müssen Rücksicht nehmen auf unsere Wünsche." Das klingt bereits wie eine verhaltene Drohung. Aber nun mal im Ernst: Ein flüchtiger Besuch in einem Sozialamt oder "Jobcenter" genügt, um zu sehen, daß die muslimische Zuwanderung für die Deutschen ein Minusgeschäft ist. Die Bilanz fällt noch schlechter aus, wenn man bedenkt, daß viele Planstellen im öffentlichen, staatlichen oder kommunalen Sektor eigens eingerichtet wurden, um Probleme zu bekämpfen, die es ohne die muslimische "Migration" gar nicht gäbe.

Das EIZ empfiehlt, kommunale "Integrationsassistenten" einzustellen, deren "Berufsbild im Bezugsfeld der interkulturellen Vermittlungsfunktionen" liege. Es geht darum, für "die interkulturelle Öffnung der Grund- und Regelversorgung im Bereich Sozial- und Gesundheitswesen (...) sprachlich-kulturell und fachlich qualifizierte Vermittlungen bereitzustellen". Das heißt, der Zugriff auf die Sozialsysteme soll professionalisiert und ausgeweitet werden. Wenn Badr Mohammed den "Integrationsgipfel" als Beginn der "interkulturellen Öffnung" Deutschlands feiert, muß man gewarnt sein. Natürlich ist die Forderung nach einer Moschee auf dem Schloßplatz unrealistisch. Doch sie tranportiert einen Machtanspruch und ein Selbstbewußtsein, die als politische Faktoren schon heute ernst zu nehmen sind.

"Die Deutschen müssen Rücksicht nehmen"

Die bundesdeutschen Tonangeber in Politik und Medien aber sind außerstande, adäquat zu reagieren. Die Ausländerbeauftragte der rot-grünen Vorgängerregierung, Marieluise Beck, schlug seinerzeit vor, einen "Integrationspakt" zwischen Staat und Zugewanderten in Gesetzesform zu gießen: Für den Bezug der Sozialleistungen sollte der Ausländer sich verpflichten, Deutsch zu lernen und an Integrationskursen teilzunehmen. Ein völlig absurder Vorschlag, weil das souveräne Recht des Staates, darüber zu bestimmen, wer dazugehört und wer nicht, darin gar nicht vorkam. Inzwischen ist diese Absurdität die faktische Arbeitsgrundlage des CDU-Innenministers Schäuble.

Die neueste Wort- beziehungsweise Bedeutungsverschiebung ist die Erweiterung des "jüdisch-christlichen" Erbes Europas zum "jüdisch-christlich-islamischen". Kürzlich trat Ellen Ueberschär, Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentages, im evangelischen Online-Magazin Chrismon in einen "Dialog" mit Bekir Alboga, einem ehemaligen Imam in Mannheim und heutigen "Dialogbeauftragten" - auch das ein wohlklingendes Wort - der Türkisch-Islamischen Union (Ditib).

Alboga gibt sich bei seinen zahlreichen Auftritten moderat. Er verlangt lediglich, daß die Gewaltfreiheit der muslimischen Mehrheit in Deutschland "gebührend gewürdigt" wird und die Muslime in Deutschland nicht länger als Menschen "zweiter Klasse" behandelt werden. Auch wünscht er sich den Beitritt der Türkei in die EU, "um die mittelalterliche Teilung (...) in eine Welt des Islam und eine des Christentums" aufzuheben.

Wer mag schon im Mittelalter verharren? Frau Ueberschär jedenfalls nicht: "Ich kann verstehen, wenn Muslime verlangen, daß ihr Beitrag zu Rechtsstaat und Demokratie gewürdigt wird." Sie kritisierte, daß "unsere Gesellschaft die (...) zum Teil gewaltbereiten Jugendlichen aus Migrantenfamilien nicht integriert". Wäre es nicht die Aufgabe der "Migrantenfamilien", ihren Nachwuchs so zu präparieren, daß er gesellschaftskompatibel ist? "Es gibt Möglichkeiten, unsere Freiheitsrechte mit den Traditionen der Einwanderer zu verbinden." Sie möchte, daß der Nationalfeiertag am 3. Oktober künftig nicht nur mit einem ökumenischen Gottesdienst begangen wird. "Wir sollten vom deutschlastigen Einheitsgedanken wegkommen und Einheit im Sinne einer freiheitlichen und multikulturellen Gesellschaft verstehen." Was Ueberschär hier äußert, ist durchweg unreflektiertes, dummes Zeug, aber es kommt aus dem Mund einer hohen Kirchenfunktionärin. Es ist deshalb politisch relevant und repräsentativ für die Geisteshaltung großer Teile der Funktionseliten und entspricht der Argumentation der Moschee-Verteidiger in Berlin-Pankow. Der Ratsvorsitzende der EKD, der Berliner Bischof Wolfgang Huber, hat dagegen Zweifel am Standort der Moschee geäußert.

Zu Albogas Verein Ditib sagte der Islam-Wissenschaftler Bassam Tibi, es handele sich um eine "verhältnismäßig moderate türkische Organisation", doch sogar sie behaupte, "es gebe keinen Islamismus, es gebe nur Islam und Muslime - alles andere sei Rassismus. Dann können sie Religionskritik nicht mehr leisten. Der Rassismusvorwurf ist eine in Deutschland sehr wirksame Waffe. Das wissen die Islamisten: Wenn sie den Vorwurf erheben, jemand schüre das 'Feindbild Islam', macht die europäische Seite einen Rückzieher." Dieser rhetorische Trick kommt auch in Pankow ausgiebig zur Anwendung - durch die deutschen Moschee-Verteidiger. Seine Wirkung läßt sich noch steigern, wenn man ihn mit dem Nazi-Vorwurf und der "Täter/Opfer"-Rhetorik verknüpft. Nicht nur rechtlich, auch politisch, geistig und moralisch haben die deutschen Funktionseliten die Scheunentore weit aufgerissen, durch die islamische Interessenvertreter nun bequem hindurchmarschieren.

Von ihnen jetzt eine offensive Gegenbewegung zu erwarten, um das eigene Land als vertraute Lebenswelt zu schützen, ist abwegig. Also müßte die deutsche Bevölkerung dieses Anliegen, wenn es ihr wichtig ist, selber in die Hand nehmen und sich in einem ersten Schritt von ihren falschen Eliten emanzipieren. Doch das Beispiel von Berlin-Pankow stimmt nicht gerade hoffnungsfroh.

Foto: Kalif Hazrat Mirza Masroor Ahmad legt den Grundstein für die Moschee: Wen integrieren?


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