© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Frisch gepresst

Lettow-Vorbeck. In die Danksagung seiner Biographie über General Paul von Lettow-Vorbeck schließt der freiberufliche Osnabrücker Historiker Uwe Schulte-Varendorff seine Mutter ein (Kolonialheld für Kaiser und Führer. Ch. Links Verlag, Berlin 2006, 216 Seiten, broschiert, Abbildungen, 24,90 Euro). Sie habe ihm die Sütterlin-Handschrift Lettows entziffert. Damit deutet der Verfasser an, wie unzugänglich ihm trotz eifriger Archivbesuche eigentlich jener Abschnitt deutscher Geschichte ist, dem er sich mit moralinsaurem Furor zuwendet. Das Standardlob der Historischen Zeitschrift, das heute Nachwuchshistoriker ernten, sofern sie in der Lage sind, "eine Zeit aus sich heraus zu beurteilen" und die "Sicht der Nachgeborenen" zu meiden, könnte sich Schulte-Varendorff daher nie verdienen. In seiner wutschaumgekrönten Darstellung reduziert sich alles darauf, daß Lettow-Vorbeck 1870 geboren wurde und nicht wie sein Ankläger 1966. Der Duktus entspricht insgesamt den vom Autor beifällig zitierten Urteilen der SED-Geschichtsideologen über den Befehlshaber der "Kolonialsoldateska" und "Wegbereiter des Hitlerfaschismus". Wer Schulte-Varendorff auf dieser Fährte bis zum Schlußkapitel folgt, wird durch das peinliche Gegreine ob der Tatsache angeödet, daß die Bundeswehr und einige Kommunen (Lettow-Vorbeck-Straße!) sich auch 2006 noch nicht von einer "unheilvollen Tradition" verabschiedet hätten. Daß diese Litanei mit kapitalen sachlichen Fehlern gespickt ist, versteht sich bei solch auktorialer Disposition von selbst.

Carl Schmitt. Das Rad der "Schmittismus" wird in dem von Ingeborg Villinger komponierten Vortragsband über den Staatsdenker sicher nicht neu erfunden (Carl Schmitt in der Diskussion, Stadt Plettenberg 2006, 105 Seiten, 7,50 Euro). Aber schon wegen des wahrhaft abgelegenen Druckorts, zugleich sauerländisches Heimatstädtchen und "Exil" nach 1945, darf der Band in keiner "Schmittiana"-Sammlung fehlen. Die umfangreichsten Beiträge liefern Piet Tommissens Überblick "Carl Schmitt und der Nationalsozialismus" und Hans-Peter Volz, der mit der "Verfassungslehre des Bundes" CS in die aktuelle europapolitische Beziehungen setzt. Raphael Groß und Martin Hochhuth versuchen in bekannter Manier zu "entmythologisieren" und die "erschreckende Dimension" (Villinger) des Werkes zur Anzeige zu bringen. Ernst-Wolfgang Böckenförde hält am "katholischen Schmitt" fest und glaubt, daß die heutigen Probleme politischer Einheitsbildung CS "in der Diskussion" halten.

Rheinland-Pfalz. Derzeit reihen sich die "60. Geburtstage" der Bundesländer, die in der Mehrzahl als Produkte der Nachkriegsbesatzung gebildet wurden. 2006 konnten bereits NRW oder Niedersachsen aus der britischen Zone diese Selbstehrungen vornehmen, dieses Jahr folgen die Konstrukte der französischen Zone. Der Mainzer Historiker Michael Kißener schildert kurz und prägnant die Geschichte des aus fünf unterschiedlich gewachsenen - allenfalls ökonomisch gleich schwachen - Gebieten (Preußen, Bayern, Hessen, Nassau und Birkenfeld) komponierten politischen "Provisoriums" Rheinland-Pfalz von 1947 bis heute (Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz. G. Braun Buchverlag, 224 Seiten, gebunden, Abbildungen, 16,90 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen