© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

Kampf gegen die "Zukunftskriminellen"
Heinrich Wohlmeyers globalisierungskritische Analyse motiviert zum direkten Handeln, statt in theoretischen Diskursen zu schwelgen
Alexander Griesbach

Der Begriff "Querdenker" wird häufig strapaziert und allen möglichen, häufig vermeintlich "kritisch aufgeklärten" Zeitgenossen zuerkannt. Im Falle von Heinrich Wohlmeyer ist es tatsächlich einmal angebracht, von einem "Querdenker" zu reden. Dies gilt erst recht für sein neues Buch, das den vielleicht etwas merkwürdigen Titel "Globales Schafe Scheren. Gegen die Politik des Niedergangs" trägt.

Der 1936 in St. Pölten geborene Wohlmeyer ist vor allem als Anwalt einer Politik der Nachhaltigkeit bekannt geworden; er war es, der das erste "Grüne Energieprogramm" für Österreich entwarf und frühzeitig die Möglichkeiten der kreislauforientierten Nutzung nachwachsender Rohstoffe und Primärenergieträger aufzeigte. Zuletzt engagierte sich Wohlmeyer auch in der Finanz- und Handelspolitik und veröffentlichte 2002 unter anderem das Buch "The WTO. Agriculture and sustainable Management".

Was Wohlmeyer mit seinem globalisierungskritischen Buch im Sinn hat, ist auf einer Innenklappe verdeutlicht: Es soll ein "Handbuch zur sanften Revolution" sein, das nach dem klassischen Sachverständigenmuster "Sehen-Urteilen-Handeln" vorgeht. Was Wohlmeyer sieht, wird unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, nämlich die "Zukunftskriminalität der gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik". Diese Diagnose hebt sich in ihrer Deutlichkeit vom Gros der mittlerweile umfangreichen Literatur zum Thema Globalisierung ab, die sich entweder damit begnügt, bestimmte Stellschrauben neu justieren zu wollen, grundsätzlich aber alles so belassen möchte, wie es ist, oder aber, wenn sie von "links(außen)" kommt, abstrakt von "menschenfeindlichen Strukturen" redet, denen letztlich nur mit sozialistischen Modellen beizukommen sei.

Menschen- und umweltfeindlich ist für Wohlmeyer das derzeitige Stadium der Globalisierung ebenfalls, und zwar in allen Bereichen menschlicher Existenz. Seine Analysen sind freilich im Gegensatz zu manch wichtigtuerischem Elaborat, das Inhaltsleere mit aufgedonnerter wissenschaftlicher Begrifflichkeit vernebeln muß, von einer wohltuenden Allgemeinverständlichkeit, die Wohlmeyer auch ganz bewußt intendiert. Er wollte ein Sachbuch für "Normalverbraucher" schreiben. Daß diesem Praktiker das "Schwelgen in theoretischen Diskursen", sprich: das "Palaver", zuwider ist, verhehlt er nicht. Seine Analysen der gesellschaftlichen Situation im ersten Teil des Buches ("Sehen") zeichnen sich denn auch durch präzise Beschreibungen von Fehlentwicklungen aus. Er veranschaulicht sie immer wieder durch instruktive Beispiele, die "aus dem Leben gegriffen" sind. Hier ist der kantischen Maxime "Begriffe ohne Anschauung sind blind" einmal vorbildlich Rechnung getragen worden. Ganz im Sinne dieser Maxime finden sich bei Wohlmeyer überdies viele graphische Darstellungen, die komplexe Sachverhalte zu verstehen helfen und so zur Verständlichkeit der Ausführungen entscheidend beitragen.

Im zweiten Teil ("Urteilen") legt Wohlmeyer dar, vor dem Hintergrund welcher Bewertungsmaßstäbe er die beschriebenen Phänomene beurteilt. Daß seine Maßstäbe nicht nur christlich grundiert sind, sondern auch noch offensiv vertreten werden, dürfte dem einen oder anderen Kritiker aufstoßen. Nichtsdestoweniger ist es wohl genau das, was Wohlmeyer im Sinne hat. Von dieser Warte aus geht er auf Hintergründe und Ursachen der Fehlentwicklungen der Globalisierung ein und hält mit der Kritik am "Hauptstrom" der Meinungsbildung nicht hinter dem Berg, der die offensichtlichen und gravierenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Probleme aufgrund kurzfristiger Interessenlagen oder insuffizienter Weltbilder ("Systemkäfig") ignoriert oder verharmlost.

Wohlmeyer benennt klipp und klar diejenigen, die "die Schafe" im globalen Maßstab "scheren", und von welchen Motiven sie getrieben werden. Nachdem Wohlmeyer seine Analysen und Kritik auf diese Weise ins Bild gesetzt hat, wendet er sich in dritten Teil dem "Handeln" zu, jenem Teil also, der bei vielen "globalisierungskritischen" Werken eher unverbindlich bis nebulös ausfällt.

Unmißverständlich sagt Wohlmeyer hier den "Geoplünderern" im weitesten Sinne den Kampf an. Leitmotivisch durchzieht immer wieder der Begriff "Nachhaltigkeit" die Ausführungen. Nachhaltigkeit ist bei Wohlmeyer wohl so zu verstehen, wie sie zum Beispiel durch die Brundtland-Kommission 1987 definiert wurde, nämlich als Entwicklung, "die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen".

Wohlmeyer plädiert sowohl für eine ökologische (Raubbau an der Natur vermeiden), eine ökonomische (eine Gesellschaft sollte nicht über ihre Verhältnisse leben) als auch für eine soziale Nachhaltigkeit (ein Staat sollte soziale Spannungen weitgehend vermeiden und Konflikte auf friedlichem und zivilem Wege austragen). Die Forderung nach Nachhaltigkeit und deren Umsetzung ist hier also im weitesten Sinne zu verstehen.

Wohlmeyer hat zweifelsohne eines der spannendsten globalisierungskritischen Bücher der letzten Jahre vorgelegt und bietet reichlich Stoff für kontroverse Diskussionen. Vor allem aber, und dies kann nicht genug unterstrichen werden, motivieren seine Ausführungen zum direkten Handeln. Das ist viel für ein Buch, dessen sperrige und komplexe Materie viele von vornherein abwinken läßt.

Heinrich Wohlmeyer: Globales Schafe Scheren. Gegen die Politik des Niedergangs. Edition Va Bene, Wien, Klosterneuburg 2006, gebunden, 250 Seiten, 24,90 Euro


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