© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/07 5. Januar 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Überschrift
Karl Heinzen

Während die Zahl der Schüler in Deutschland schon seit dem Jahr 2000 abgenimmt, wächst der Zuspruch, den private Schulen verzeichnen, weiterhin beständig. 873.000 Jugendliche machten im Schuljahr 2005/06 von einem derartigen Angebot Gebrauch, knapp 50 Prozent mehr als 15 Jahre zuvor. Der Anteil der Privatschüler an der Schülerzahl insgesamt mag mit knapp sieben Prozent zwar noch recht gering sein. Es ist aber erkennbar, daß auch dieser Sektor des Bildungsmarktes über ein markantes Expansionspotential verfügt.

Der Trend hin zu Privatschulen ist grundsätzlich zu begrüßen. Wenn Menschen sich schon den Luxus gönnen, Kinder großzuziehen, sollten sie auch dafür Sorge tragen, daß diesen für ihr zukünftiges Leben Chancen eröffnet und nicht verbaut werden. Die öffentliche Hand ist in der Bewältigung dieser Aufgabe nur zu oft ein inkompetenter und unzuverlässiger Partner. Es spricht für das Verantwortungsbewußtsein von Eltern, wenn sie das Staatsversagen auf diesem Gebiet nicht hinnehmen, sondern Investitionen im mehr als bloß übertragenen Sinne vornehmen, um ihren Kindern den Besuch einer privaten Schule zu ermöglichen.

Die Kritik, daß es ja wohl mit weit überwiegender Mehrheit Gutsituierte seien, die sich diese Alternative zur Misere öffentlicher Bildungsangebote leisten könnten, und die sowieso schon rar gesäten Chancen eines sozialen Aufstiegs aus den Niederungen der Gesellschaft auf diese Weise weiter schwänden, ist nicht abwegig, aber deplaziert: Der sozialen Gerechtigkeit ist nicht damit gedient, wenn man Kindern Bildung vorenthält, deren Finanzierung ihre wohlhabenden Eltern eigentlich bequem stemmen könnten.

Die Freude über die Erfolgsgeschichte der Privatschulen ist allerdings nicht ungetrübt. Unverändert ist es nämlich so, daß der Staat in der Regel den Löwenanteil zu ihrem Unterhalt übernimmt und der Obolus, den Eltern oder sonstige Spender beisteuern, eher einen symbolischen Charakter hat. Von einer Privatisierung im strengen Sinn und einem echten Markt mit Konkurrenzpreisen kann hier daher nicht gesprochen werden. Privatschulen, die diesen Namen wirklich verdienten, müßten finanziell ganz auf eigenen Füßen stehen. Und sie müßten, und dies ist ein weiteres gravierendes Manko der heutigen Situation, auch die Bildungsinhalte, die sie anbieten, eigenständig festlegen dürfen. Der dogmatische Monopolanspruch, den sich der Staat hier mit Lehrplänen, Lernstandserhebungen, Abiturordnungen und ähnlichem anmaßt, ist einer freien Gesellschaft unwürdig.


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