© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/06 01/07 22./29. Dezember 2006

Sparsam, effizient, unbestechlich und erfolgreich
Erhardt Bödeckers Erinnerung an das preußische Modell staatlichen Wirtschaftens mahnt zur Umkehr aus dem Sumpf von Verschuldung und Bürokratie
Manfred Backerra

Wer glaubt, die einst prosperierende deutsche Marktwirtschaft sei eine demokratische Erfindung der Nachkriegszeit, den belehrt Erhardt Bödecker eines Besseren. Der Eigner des Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau hat als Jurist und erfolgreicher Privatbankier mit Geschichtsstudium eine profundere Sicht für "Preußen und die Wurzeln des Erfolgs" (so sein Buch von 2005) als viele Vorbeter seines jetzigen Fachs, denen entgegen der Faktenlage zu Preußen nur Militarismus und Obrigkeitsstaatlichkeit einfällt.

Ludwig Erhardt hatte die großartig erfolgreiche Marktwirtschaft bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes eingeführt. Parlamentarisch wäre sie abgelehnt worden, sagte er später. Die preußische Marktwirtschaft, knapp hundert Jahre vorher dekretiert, verwandelte Deutschland aus einem relativ mittellosen und in vieler Hinsicht rückständigen Land in eine der größten Mächte der Erde - "eine Umwälzung von noch nie dagewesenen Ausmaßen", wie das Mitglied der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, David Nachmansohn, noch 1982 schrieb.

Wie war das möglich in einem jungen Staat aus 25 Ländern und Städten großer mentaler, religiöser und politischer Unterschiede, die sich zum Teil noch vor kurzem erbittert bekriegt hatten, mit sozialen Problemen der Industrialisierung und einem jährlichen Geburtenüberschuß von 600.000 Menschen? Woran lag es, daß bis zum Ersten Weltkrieg durchschnittlich 380.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr entstanden, die Arbeitslosigkeit mit ein bis zwei Prozent ein Bruchteil der Frankreichs und Englands betrug, Deutschland auf allen Gebieten industrieller Hochtechnologie führend wurde, in Chemie sogar beherrschend? Wieso gab es viermal soviel Selbständige wie heute? Wie kam es zu folgenden bemerkenswerten Pro-Kopf-Daten: Steuerbelastung 1913 nur ein Zwanzigstel der heutigen, Staatsschulden 1912 nur etwa ein Viertel Frankreichs und die Hälfte Englands - obwohl Deutschland für Soziales sechsmal mehr als Frankreich und das 24fache von England ausgab -, Sparguthaben 1910 zweieinhalbmal so groß wie in diesen Ländern? Wie konnte bis 1913 die Mark in 38 Jahren 87 Prozent an Wert halten, während es in derselben Zeitspanne bis 2000 nur 31 Prozent waren?

Der Grund dieser und noch vieler weiterer Bestwerte war ein Staat, der die Maximen Friedrichs des Großen befolgte, der im Sinne seines Vaters geschrieben hatte: "Eine Regierung muß sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß des Volkes stammt. Das Geld ohne Rücksicht auf die Zukunft ausgeben, heißt handeln wie ein Diktator", und noch drastischer: "Jeder Fürst, der die staatlichen (...) Einnahmen vergeudet, handelt wie ein Straßenräuber."

Die Staatsquote betrug 14 Prozent, es gab prozentual weniger als ein Sechstel der heute öffentlich Beschäftigten. Ein krasses Beispiel: Im preußischen Kultusministerium schufen 35 Beamte in Zusammenarbeit mit den Staaten des Reiches ein weltweit führendes Hochschulsystem. Dadurch errang Deutschland in Medizin und Naturwissenschaften mit zwanzig Nobelpreisen fast so viele wie die Niederlande, England, Frankreich und die USA zusammen. Heute schaffen dies mindestens 38 Staatsekretäre, 130.000 öffentlich Bedienstete und im Verhältnis dreimal so viele Lehrkräfte wie damals nicht.

Insgesamt arbeitete der deutsche Staat in allen Bereichen, schon damals international anerkannt, einmalig effizient, weil seine Amtsträger fachlich sehr kompetent ohne das heutige Beraterheer praxisgerecht und zügig ihre Aufgaben erfüllten. Dies und die im Verhältnis zu heute märchenhafte Freiheit von staatlicher Regulierung sowie von politischer und gesellschaftlicher Gängelung waren ein Erfolgsrezept. Bödecker gibt viele Anregungen dafür, was nötig wäre, um zumindest wieder auf den Weg zum erfolgreichen Wirtschaften zurückzukommen. Dieses eingängige und einprägsame Brevier der Marktwirtschaft sollte Pflichtlektüre für jeden Politiker sein.

Erhardt Bödecker: Preußen und die Marktwirtschaft. Olzog Verlag, München 2006, gebunden, 160 Seiten, 9,90 Euro


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