© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/06 15. Dezember 2006

Oh Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren
Christbäume: Große Vielfalt an Herkünften und Anbauverfahren / Verwendung auch bei der Inszenierung von Werbeaktionen
Jörg Schröder

Bis an den Weihnachtstagen endlich Ruhe und Besinnung eintreten kann, ist noch einiges zu erledigen. Dazu zählt auch, einen schönen Weihnachtsbaum zu besorgen. Im Vordergrund steht dabei oft die Frage nach der Baumart. Durfte es früher in einigen Regionen Deutschlands gerne auch mal der Baum des Jahres 2007, nämlich die Kiefer sein, so hat sich doch in den letzten Jahrzehnten zu Weihnachten hierzulande standardmäßig die Rotfichte durchgesetzt. In letzter Zeit stolpert man vor den Einkaufszentren aber nicht nur über die traditionellen Fichten, sondern immer öfter auch über das satte Grün der besonders dicht und üppig benadelten Nordmannstanne.

20 bis 25 Millionen Weihnachtsbäume

Neben der Frage nach der Baumart ist es in jedem Fall lohnenswert, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wo der weihnachtliche Schmuck eigentlich herkommt und unter welchen Bedingungen die Bäume gewachsen sind. Von den 20 bis 25 Millionen Weihnachtsbäumen, die alljährlich in Deutschland verkauft werden, stammen nur noch etwa 15 Prozent aus Produktion von Forstbetrieben mit eigenem Waldbestand. Der Großteil wird hingegen in eigens angelegten Plantagen gezogen. Dabei wird jeder vierte Weihnachtsbaum inzwischen importiert, vor allem aus Dänemark, aber auch aus den Niederlanden oder Irland.

Angesichts dieser intensiven Massenproduktion kritisieren Verbände des Natur- und Umweltschutzes neben unnötig langen Transportwegen in erster Linie auch den langen Arm der Chemie. Bei der Anzucht des winterlichen Grüns reicht dieser vom Herbizid gegen unliebsame Begleitvegetation über Insektizide gegen die gefürchtete Sitkalaus bis hin zum nicht zu knappen Einsatz von Mineraldüngern, die einen schnellen Wuchs und die vom Konsumenten erwünschte leuchtende grüne oder grünbläuliche Farbe gewährleisten sollen.

Alternativen sehen Umweltverbände im Kauf von Weihnachtsbäumen, die aus Forstbetrieben oder Weihnachtsbaumkulturen stammen, die nach definierten ökologischen Standards bewirtschaftet und von unabhängiger Seite kontrolliert werden. So empfiehlt etwa die Naturschutzorganisation Robin Wood, möglichst solche Bäume zu bevorzugen, die das Siegel des Naturland Verbandes oder des Forest Stewardship Council (FSC) aufweisen. Diese Zertifikate erhalten nur Forstbetriebe, die auf Kahlschläge, künstliche Düngung oder den Einsatz von Chemikalien verzichten. Um die Suche nach zertifizierten Produkten zu erleichtern, hat Robin Wood eine aktuelle Liste mit bundesweit 40 Verkaufsstellen erstellt (http://www.umwelt.org/robin-wood/german/wald/weihbau/index.htm).

Wer keinen Öko-Betrieb in seiner Umgebung findet, sollte zumindest Weihnachtsgrün aus der eigenen Region wählen. So haben sich in vielen Bundesländern Anbaugemeinschaften wie etwa die Initiative Bayerischer Christbaum ganz auf heimische Bäume spezialisiert.

Unabhängig davon, ob es zu Weihnachten nun "ökologisch" oder eher "konventionell" zugehen soll, ist es in jedem Fall besonders schön, sich mit einer Bügelsäge zu bewaffnen und den Baum selber aus dem Wald zu holen.

Ein "politischer Baum" für die Bundeskanzlerin

Gemeint ist selbstverständlich nicht der in der Weihnachtszeit von vielen Förstern so gefürchtete Diebstahl der hoffnungsvollsten Zukunftsbäume. Vielmehr wird die Möglichkeit der Eigeninitiative von vielen Forstbetrieben im Rahmen kontrollierter Aktionen ermöglicht. So bieten zum Beispiel die Niedersächsischen Landesforsten im idyllisch gelegenen Naturwald Ehrhorner Dünen südlich von Hamburg die "Ehrhorner Waldweihnacht" an, eine Veranstaltung, die neben wärmenden Winterfeuern, heißem Punsch, leckerer Wildbratwurst eben auch die Möglichkeit bietet, unter professioneller Betreuung des Försters selbst ein Bäumchen aus zu durchforstenden Beständen im winterlichen Wald zu schlagen.

Alle Jahre wieder stehen die Weihnachtsbäume nicht zuletzt auch ganz im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Damit ist nicht nur das Aufstellen von besonders prächtigen Exemplaren auf den zahlreichen Weihnachtsmärkten der Republik gemeint. Vielmehr scheint es inzwischen durchaus üblich geworden zu sein, Weihnachtsbäume im Rahmen von inszenierten PR-Aktionen an ausgewählte Persönlichkeiten zu überreichen. So ist es beispielsweise eine alljährliche Aktion der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Waldbesitzerverbände (AGDW), den jeweils amtierenden Bundeskanzler mit einem Weihnachtsbaum zu erfreuen. Die AGDW will damit auf die große Bedeutung des Waldes und der Forstwirtschaft für die deutsche Wirtschaft aufmerksam machen.

So bekam Angela Merkel von der AGDW in diesem Jahr einen "politischen" Baum aus ihrer Heimat, nämlich eine 14 Meter hohe, auf deutsch als Blau- oder Stechfichte bezeichnete Picea pungens glauca, gewachsen in ihrem Wahlkreis in Vorpommern. Mit einem Größenunterschied von zwei Metern immerhin ein stattlicheres Exemplar als die nur zwölf Meter hohe märkische Rotfichte, die Walter Momper Ende November vom Brandenburger Agrar- und Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) für das Berliner Abgeordnetenhaus entgegennehmen durfte.


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