© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/06 15. Dezember 2006

Ignoranz und Feigheit
von Michael Paulwitz

Wie lange noch will die Europäische Union sich von Ankara auf der Nase herumtanzen lassen? Die teilweise Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist ein Basarkompromiß der faulsten Sorte, weil er alle Beteiligten unbefriedigt läßt: Den einen in der EU geht das zu weit, anderen nicht weit genug, und die Türkei fühlt sich sowieso "unfair" behandelt.

Die Situation ist grotesk: Die Türkei will in die EU, ist aber nicht einmal zu normalen Handelsbeziehungen mit dem EU-Mitglied Zypern bereit. Verstärkt Brüssel zaghaft den Druck, versucht Ankara mit taktischem Schein-Entgegenkommen die andere Seite über den Tisch zu ziehen. Der Abbruch des Aufnahmeverfahrens als logische Konsequenz kommt für die einen nicht in Frage, weil sie mit dem EU-Beitritt der Türkei eigene strategische Interessen verfolgen; andere wollen nicht zugeben, einen Fehler gemacht zu haben.

So eine Akkumulation von Verlogenheiten kann nicht gutgehen. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei werden zum unendlichen Alptraum für die EU, der Kräfte und Ressourcen der Europäer fruchtlos vergeudet und die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen nicht stärkt, sondern dauerhaft belastet. Lieber also ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Der Türkei-Beitritt war ein Irrtum, den beide Seiten im eigenen Interesse schnellstmöglich mit Anstand beerdigen sollten. Je länger dieser unausweichliche Schritt aus Ignoranz und Feigheit aufgeschoben wird, desto schwerer wird er.


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