© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/06 08. Dezember 2006

Frisch gepresst

Erbfreunde. Die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen nach 1945 wird zumeist in Politik und Historiographie als Erfolgsgeschichte dargestellt, nach dem Motto: Aus Erbfeinden wurden Erbfreunde. Allerdings gab es immer schon Unangepaßte, die das Verhältnis kritischer werteten, weil ihnen klar war, daß speziell die europapolitische Harmonie zwischen Bonn und Paris nur so lange währte, wie sich die Bundesdeutschen französischen Machtansprüchen gefügig zeigten. Die zwiespältige Reaktion seines "Freundes" François Mitterrand auf den Mauerfall hat dann selbst Helmut Kohl für einen Moment aus seinen Illusionen gerissen. Wie stark auch die Berliner Republik in solchen Illusionen befangen blieb, analysiert der Ökonom Markus C. Kerber in einem brillanten Essay über die Bruchstellen der "deutsch-französischen Achse" (Europa ohne Frankreich? Deutsche Anmerkungen zur französischen Frage. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999 bzw. 2006, 222 Seiten, broschiert, 9,50 Euro). Daß der Verfasser einen jahrelangen Rechtsstreit führen mußte, um den Verlag, der Zensur scheinbar als legitimes Mittel zur Sicherung der Diskurshegemonie versteht, zur Veröffentlichung seines Buches zu bringen (JF 49/05), mag die Brisanz des Inhalts ahnen lassen.

Nahostkonflikt. Die kritische Situation im Nahen Osten in den siebziger Jahren haben der Innsbrucker Historiker Rolf Steininger und sein Kollege Rudolf Agstner anhand der Berichte der österreichischen Botschaft in Tel Aviv an das Wiener Außenministerium aufgearbeitet. Die damalige Botschafterin Johanna Nestor - Nachfolgerin Arthur Agstners, Vater des Herausgebers - gibt aus der schwierigen Zeit des israelisch-arabischen bzw. palästinensischen Konfliktes nach den Anschlägen von München, dem Jom-Kippur-Krieg und dem Bürgerkrieg im Libanon aufschlußreich über dessen Auswirkungen auf den Ost-West-Konflikt Kenntnis, in welchem dem neutralen Österreich eine besondere Vermittlerrolle zukam. Steininger und Agstner beleuchten anhand ihrer hochinteressanten Primärquelle ein Stück Zeitgeschichte, dessen Probleme immer noch allzu gegenwärtig sind (Israel und der Nahostkonflikt 1972-1976. Olzog Verlag, München 2006, 349 Seiten, broschiert, Abbildungen, 29,90 Euro).

Südwest. "Helden und Heuchler, Händler und Heloten, Hetzer und Historiker" - mit diesem süffisanten Untertitel faßt der neueste Band "Wege zur Wahrheit" der vom Kolonialhistoriker August Wilhelm Steffan herausgegebenen "Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte" (Bd. 11, Gelnhausen, Windhuk 2006, 100 Seiten, broschiert, 18 Euro über Postfach 1161, 63551 Gelnhausen) die Rezeption des Kolonialkrieges gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwest zusammen, die hundert Jahre später 2004 mehr ideologisch als quellenkritisch oder gar quellenorientiert das Ereignis als logischen Bestandteil der verbrecherischen deutschen Völkermordgeschichte interpretierte.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen