© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/06 24. November 2006

Ergebnis muß passen
Dresdner Historikerkommission soll nun doch weitermachen
Jochen Arp

Es ist nun zwei Jahre her, daß der damalige Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) eine Kommission von Wissenschaftlern bildete, die den Auftrag bekam, die Zahl der Opfer der britischen und US-amerikanischen Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 möglichst exakt zu ermitteln. Eineinhalb Jahre werkelte man vor sich hin, gelegentlich gestört durch voreilige Verlautbarungen des Vorsitzenden Rolf-Dieter Müller, Wissenschaftlicher Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, der immer niedriger werdende Zahlen als vorläufiges Ergebnis meinte nennen zu müssen. Kritischen Fragen begegnete er mit dem Hinweis, immer sei "plus x" zu ergänzen, und gerade um diese Größe x gehe es beim Forschungsauftrag.

Im Juli 2006 überraschte ein Beschluß des Finanzausschusses des Dresdner Stadtrates, alle Mittel für die Kommission zu sperren. Die Begründungen waren unterschiedlich: Die CDU meinte, es sei unmöglich, die genaue Anzahl zu ermitteln, die SPD wollte das Geld lieber für die städtischen Schwimmbäder verwenden, und andere erklärten, man wolle damit dem ungeliebten Oberbürgermeister eins auswischen (JF 29/06). Soeben wurde die Entscheidung im Kulturausschuß des Dresdner Stadtrats umgestoßen. Aufgrund eines interfraktionellen Antrages von FDP und Bündnis 90/Die Grünen soll die Kommission doch weiterarbeiten. Neben der ursprünglichen Aufgabe der Bestimmung einer konkreten Opferzahl des anglo-amerikanischen Bombardements soll die Kommission Zeitzeugenberichte sammeln und dafür sorgen, daß sie geordnet und dauerhaft aufbewahrt werden. Vor dem Abschluß der Arbeit soll sie in dem Ausschuß für Allgemeine Verwaltung und dem Kulturausschuß ein Konzept für Darstellung und Veröffentlichung der Ergebnisse vorlegen.

So sehr dieser Beschluß, der noch vom Finanzausschuß und von der Ratsversammlung abgesegnet werden muß (es handelt sich um etwa 90.000 Euro), so sehr verströmen einige Formulierungen in der Begründung doch wieder einen Hautgout, als sei der Kommission ein Ergebnis vorgegeben. So wird der Kommission mitgeteilt, daß "auf der Basis der Quellen (...) alle seriösen Forschungen derzeit von 25.000 bis 35.000 Opfern" ausgehen, als wenn die Wissenschaftler die Quellen nicht selbst kennen. Ferner soll "dem Mißbrauch der Erinnerung durch demokratiefeindliche, menschenverachtende und die Opfer verhöhnende Ideologien" durch "die Landeshauptstadt Dresden auch künftig entschieden entgegengetreten werden". Wenn es denn solche Kräfte gibt, ist dergleichen selbstverständlich. Aber in diesem Zusammenhang hört sich die Kraftmeierei wie eine Drohung an, als sei eine Opferzahl, die über die offiziöse Zahl hinausgeht, eine "die Opfer verhöhnende Ideologie".

Der Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit einer künftigen historischen Analyse, deren eventuelle "falsche Ergebnisse" drohend mit politischen Verdächtigungen verknüpft werden, hat der Kulturausschuß zumindest einen Bärendienst erwiesen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen