© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006

Ein unterschätzter Gigant
Forst- und Holzwirtschaft: Branche durch intensivierte Holznutzung im Aufwind / Großes Innovationspotential
Jörg Schröder

In der Diskussion über Art und Weise der Bewirtschaftung der Wälder in Deutschland dominieren seit einiger Zeit vor allem Ansätze, die sich mit der Erschließung von bislang ungenutzten Ressourcen des nachwachsenden Rohstoffes Holz befassen.

Hintergrund dieser Entwicklung ist, daß trotz aller Fragen bezüglich des Gesundheitszustands unserer Wälder die Zuwachsraten und Holzvorräte vieler Bestände in den letzten Jahren gestiegen sind. Auf dieser Grundlage konnte der Holzeinschlag bereits in vielen Forstbetrieben ohne Gefährdung der Nachhaltigkeit deutlich erhöht werden. Großes Potential für die Mobilisierung weiterer Holzmengen wird im Privatwald kleinerer Besitzgröße gesehen.

Die intensivierte Holznutzung ist dabei neben den günstigen Rahmenbedingungen im Wald selbst sicher auch auf Marketing-Kampagnen zurückzuführen. So haben Institutionen wie beispielsweise der Holzabsatzfonds durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit dazu beigetragen, die Vorteile und große Bedeutung der nachhaltigen Holznutzung hinsichtlich der Umweltbilanz und der Verringerung von Kohlendioxid-Emissionen bekannt zu machen.

Zudem hat die Verteuerung fossiler Energieträger in Mitteleuropa zu einer verstärkten energetischen Holznutzung in Form von Hackschnitzeln, Holzpellets oder Holzbriketts beigetragen. Das verstärkte Bewußtsein für den bislang unterschätzten ökonomischen Stellenwert der Forst- und Holzbranche in Deutschland ist nicht zuletzt auch auf die Arbeit des an der Universität Münster ansässigen Waldzentrums zurückzuführen.

So konnten die dort tätigen Experten in einer "Clusterstudie" zeigen, daß die gesamte Branche der Forst- und Holzwirtschaft in Deutschland mit zwei Millionen Waldbesitzern, 1,3 Millionen Beschäftigten und einem Umsatz von ungefähr 173 Milliarden Euro eine größere wirtschaftliche Bedeutung hat als die Elektroindustrie oder der Maschinenbau.

In Münster geht man davon aus, daß einzelne Bereiche wie etwa die innovative Holzwerkstoffindustrie oder die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen auf Holzbasis ein enormes Wachstumspotential aufweisen.

Im rohstoffarmen Deutschland hat auch die Bundesregierung die große Bedeutung von Forschung und Entwicklung für das Ausschöpfen der Innovationspotentiale in der Forst- und Holzwirtschaft grundsätzlich erkannt. So veranstaltete das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung (BMBF) Mitte Oktober in Berlin eine Fachtagung mit dem Titel "Wald und Holz - Forschung und Innovationen für Deutschland und Europa". Vorgestellt wurde der Forschungsschwerpunkt "Nachhaltige Nutzungskonzepte für Regionen", der Teil des übergeordneten Rahmenprogramms "Forschung für die Nachhaltigkeit (Fona)" ist.

Neben der Fokussierung auf Ansätze zur "Erschließung von Wertschöpfungspotentialen entlang der Forst-Holz-Kette" fällt im Rahmen dieser Tagung insbesondere auch die dezidiert internationale Ausrichtung der BMBF-Forschungspolitik auf. So fördert das BMBF auf EU-Ebene die Forest-Based Sector Technology Platform (FTP), ein europaweites Netzwerk, das 2004 vom Europäischen Verband der Papierindustrie (CEPI) sowie dem Europäischen Waldbesitzerverband (CEPF) mit dem Ziel gegründet wurde, seinerseits Einfluß auf die sektorale Forschungspolitik in Europa auszuüben.

Die bescheidene Transparenz bezüglich der Wahrung des Subsidiaritätsgedankens, die sich an diesem einfachen Beispiel der EU-Forschungspolitik zeigt, ist im Zeitalter der Globalisierung im Grunde keine neue Entdeckung. Bemerkenswert ist allerdings die Beobachtung, daß diese Problematik bei Veranstaltungen wie der erwähnten BMBF-Tagung weder diskutiert noch hinterfragt wird.

Angesichts der eklatanten Diskrepanz zwischen den Innovationspotentialen der Forst- und Holzwirtschaft einerseits und der schwierigen finanziellen Situation vieler deutscher Forschungsinstitute andererseits muß insbesondere die geringe Kritikbereitschaft des akademischen Nachwuchses sehr zu denken geben.

Die Überwindung dieser Sprachlosigkeit setzt in Zukunft den Willen voraus, die geistige und organisatorische Kleinstaaterei in der deutschen Forschungslandschaft zu überwinden und die vorhandenen Gelder stärker nach nationalen Interessen zu bündeln.


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