© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006

Politische Spaltung erneut bestätigt
Polen: Verluste für Regierungsparteien bei den Kommunalwahlen / Linke und Liberale legten zu / Konservative Landbevölkerung
Christian Rudolf/Jörg Fischer

Am Sonntag standen in Polen fast 47.000 Gemeinderäte und Regionalabgeordnete sowie etwa 2.500 Bürgermeister zur Wahl. Doch der von Opposition erhoffte Erdrutschsieg bleib aus. Die wirtschaftsliberale Bürgerplattform (PO) wurde in den Großstädten zwar stärkste Kraft, die Postkommunisten kamen auf Rang drei - hier leben aber nur 20 Prozent der Polen.

So wurde in Danzig der seit 1998 amtierende PO-Politiker Paweł Adamowicz mit 60,8 Prozent als Oberbürgermeister bestätigt. Auch in Allenstein (Olsztyn), Kattowitz, Kielce oder Rzeszów konnten PO-Kandidaten im ersten Wahlgang die Bürgermeisterämter erobern. Im oberschlesischen Oppeln wurde Ryszard Zembaczyński (PO) mit 51,6 Prozent zum Stadtoberhaupt gewählt. Die deutsche Minderheit ist weiterhin mit sieben Abgeordneten im Oppelner Landtag vertreten. In Krakau kam der postkommunistische Kandidat Jacek Majchrowski auf 42,3 Prozent. In Stettin erreichte Piotr Krzystek (PO) 41,8 Prozent, der Postkommunist Jacek Piechota 27,9 Prozent.

Doch die sozialkonservative Regierungspartei PiS von Präsident Lech und Premier Jarosław Kaczyński, die in den Städten insgesamt nur zweite Kraft wurde, ist im ländlichen Raum weiter stärkste Partei. PO-Hochburg ist die ostpolnische Wojewodschaft Karpaten, wo auch die oppositionelle bäuerliche Volkspartei (PSL) zweistellige Ergebnisse einfuhr. Die größten Zuwächse erzielten landesweit unabhängige - meist konservative - Wählervereinigungen. In den Wojewodschaftsräten lag die PO mit 27,1 Prozent vor der PiS mit 25 Prozent. Die Mehrheit der Polen ist allerdings von allen Parteien enttäuscht - nur 44 Prozent gingen zur Wahl.

In Breslau hatten sich die im Sejm verfeindeten Konkurrenten PO und PiS verbündet, und so wurde Oberbürgermeister Rafał Dutkiewicz mit 84,5 Prozent im Amt bestätigt. Ganz anders sind die Verhältnisse in Warschau, das bis 2005 von Lech Kaczyński geführt wurde. Hier kam der Ex-PiS-Premier Kazimierz Marcinkiewicz nur auf 38,6 Prozent. Seine PO-Herausfordererin Hanna Gronkiewicz-Waltz qualifizierte sich mit 34,4 Prozent für die Stichwahl am 26. November. Zünglein an der Waage sind dann die 22,1 Prozent postkommunistischen Wähler, die Ex-Sejm-Marschall Marek Borowski auf sich vereinigen konnte. Der Ex-KP-Funktionär hat seine Wähler inzwischen aufgerufen, im zweiten Wahlgang die einstige Solidarność-Aktivistin zu wählen.

Die Wahlniederlage könnte die Kaczyński-Zwillinge und ihre fragile Dreierkoalition dennoch stärken. Denn vorgezogene Parlamentswahlen würden für die kleinen Partner zu einem Debakel: Die linkspopulistische Samoobrona von Vizepremier Andrzej Lepper verlor auf dem Land teilweise bis zu zwei Drittel ihrer Wähler. Die nationalkatholische LPR von Roman Giertych scheiterte in den meisten Städten an der Fünf-Prozent-Hürde.


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