© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006

Denkzettel
Freiburg: Bürger stimmen gegen Wohnungsverkauf
Ulrich Grönne

Die Stadt Freiburg behält ihre Wohnungsbaugesellschaft - und ihre Schulden. Das ist das Ergebnis eines Bürgerentscheids vom vergangenen Sonntag. Die Frage, ob die Kommune weiterhin Eigentümerin der Freiburger Stadtbau bleiben solle, bejahten 70,5 Prozent der Abstimmenden. Der Entscheid hebt einen vor allem von den Grünen und der CDU getragenen Ratsbeschluß für den Verkauf der rund 9.000 Wohnungen auf. Für mindestens drei Jahre können die Freiburger ihre Heuschrecken-Transparente wieder einrollen, während der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon die Angebote der ausländischen Investoren in den Reißwolf schieben kann.

Über die Gründe für das deutliche Ergebnis kann spekuliert werden. Ganz vorn liegen die Ängste der Stadtbau-Mieter, nach Auslauf der versprochenen Sozialcharta auf dem sehr knappen Wohnungsmarkt ihr Zuhause nicht mehr bezahlen zu können, führte ein gewinnorientierter Investor die Feder. Daß eine Sozialcharta zudem unterlaufen werden kann, untergrub zusätzlich die Versicherungen der Verkaufsbefürworter. Die Aussicht auf langfristig steigende Mieten im ohnehin nicht billigen Freiburg dürfte aber auch in Wohnungen vorherrschen, welche nicht zum Eigentum der Stadtbau zählen.

Daß Alternativen zu Spekulationsunternehmen - wie etwa eine Genossenschaftslösung - auf wackeligen Füßen standen, mag seinen Teil zum Ergebnis beigetragen haben. Da half wenig, daß Salomon beklagte, der nahende Bürgerentscheid lasse keine Zeit, diese Ideen verläßlich zu entwickeln. Die in einer gewachsenen Bürgerinitiative versammelten Verkaufsgegner schürten zudem Zweifel, daß der Erlös tatsächlich in eine nachhaltige Entschuldung der Stadt statt in weitere Prestigeprojekte fließen würde. Daß Salomon nun mit Schulsanierung warb, wirkte angesichts der Investitionen der Stadt in einen fragwürdigen Messeausbau auf manche Bürger geradezu perfide.

Zuletzt dürfte der Entscheid auch zur Abrechnung mit dem Politikstil Salomons geraten sein, der oft als ruppig und selbstherrlich erachtet wird. Das in Direktwahl bestimmte Stadtoberhaupt bekam zur Hälfte seiner Amtszeit einen Denkzettel verpaßt. Einst als Visionär angetreten, begann Salomon bereits kurz nach der Wahl eine undiplomatische Rotstift-Politik. Mit dem versuchten Verkauf der Stadtbau brach er zudem ein Wahlversprechen. Das Argument, er habe die finanzielle Situation der Kommune nicht überblicken können, nimmt ihm nicht einmal die eigene grüne Klientel ab.


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