© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006

"Protest ohne Zurückhaltung"
NPD: Bundesparteitag in Berlin / Politiker beteiligen sich an Gegendemonstration / Delegierte bestätigen Udo Voigt als Parteivorsitzenden
Ronald Gläser

Ein NPD-Treffen ist wie kaum ein anderes Ereignis dazu geschaffen, Reflexe bei einer Vielzahl von Personen auszulösen, zumal wenn es in Berlin stattfindet. Der Parteitag der Nationaldemokraten in der "Reichshauptstadt" hat das vergangene Wochenende zu einem unvergeßlichen Erlebnis für Richter, Journalisten, Polizisten, Demonstranten sowie Politiker werden lassen.

Die Politiker: Bezirksbürgermeisterin von Reinickendorf Marlies Wanjura geht nicht gerade zimperlich mit dem politischen Gegner um. Als Wanjura jetzt aber der NPD die Tür weist, macht sie sogar bundesweit Schlagzeilen. Die CDU-Politikerin versucht der Partei den Zugang zum Fontanehaus vor Gericht zu verweigern - und verliert. Anschließend ruft sie zu "Protest ohne Zurückhaltung" auf.

Pflüger inmitten von Verdi- und DKP-Fahnen

Im Berliner Abgeordnetenhaus bildet sich ein Allparteienbündnis aus SPD, Linkspartei, Grünen, FDP und CDU gegen die Gefahr von rechts. Innensenator Körting (SPD) forderte ein neues Verbotsverfahren und kündigt großspurig an, alle seine Spitzel abziehen zu wollen. Die Medien: Pflichtgemäß werden die üblichen Phrasen abgespult. Der Berliner Tagesspiegel ruft seine Leser in einem Leitartikel dazu auf, an der Gegendemo teilzunehmen. Im Radio heißt es: "Das Oberlandesgericht Berlin hat der NPD die Abhaltung des Parteitages genehmigt" - eine bemerkenswerte Sprachregelung: Als müßte sich eine Partei die Abhaltung eines Parteitages genehmigen lassen. Vielmehr hat das Gericht Frau Wanjura untersagt, der Partei den Raum vorzuenthalten, aber wen kümmern schon solche Feinheiten?

Die Demonstranten: Dafür, daß alle Zeitungen und alle Parteien zur Demonstration "gegen Rechts" aufgerufen haben, ist der Protest äußerst spärlich. 300 linke Demonstranten von der Antifa sehen sich einem 700-Mann-Aufgebot der Polizei gegenüber. Auch die NPD bekommt die Staatsmacht zu spüren: Ein Delegierter wird festgenommen, weil er einen messerähnlichen Gegenstand dabei hat, drei weitere Personen wegen des Zeigens verbotener Symbole.

Später wird man die geringe Beteiligung der Berliner an der Demonstration auf das schlechte Wetter schieben. Unter den Anti-NPD-Demonstranten ist auch der Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger, der vielleicht glaubt, etwas für den antifaschistischen Teil seiner Vita tun zu müssen, nachdem er im Wahlkampf noch den Neubau einer Moschee in Pankow zu unterbinden versucht und damit die Multikulti-Lobby gegen sich aufgebracht hat.

Im Radio erklärt der Spitzenmann der Berliner CDU: "Nationalistisches Denken hat unser Land schon einmal in die Katastrophe geführt." Um ihn herum ein Meer aus Verdi- und DKP-Fahnen. Schöne neue Freunde, die sich der ehemalige Staatssekretär da gesucht hat. Der Auftritt von Wajura, Pflüger und Co. veranlaßt die taz zu der Beurteilung, die CDU präsentiere sich als die "neue Berliner Antifa".

Die NPD: Die Arbeitsbedingungen sind nicht mit denen auf "normalen" Parteitagen zu vergleichen. Einige Journalisten werden sich auf der Pressekonferenz über die Einengung ihrer Bewegungsfreiheit beschweren. Immerhin ist der Zugang zum Parteitag am Sonntag problemlos möglich.

Im Foyer des Fontanehauses stehen einige NPD-Delegierte und essen Würstchen, trinken Bier. Eine energische Blondine kommt herbeigelaufen. "Wenn Sie Presse sind, haben Sie hier nichts zu suchen, das ist der interne Bereich." Den Leuten hier steht der Zorn auf die "Systempresse" ins Gesicht geschrieben.

Die Diskussion im Saal dreht sich derweil um die Spitzel des Verfassungsschutzes in der Partei. Der Delegierte Friedhelm Busse, ehemals Vorsitzender der mittlerweile verbotenen rechtsextremistischen FAP, spricht über seine Zeit mit Otto Ernst Remer und die Anfänge der extremen Rechten in der Nachkriegszeit. "Das System der Bespitzelung läßt sich nicht mit Unterschriftslisten und Erklärungen bekämpfen. Dieser Staat kann ohne Spitzel nicht leben."

Auch der am Vortag wiedergewählte Parteichef Udo Voigt geht auf das Spionageunwesen in den eigenen Reihen ein: Wenn Berlin seine Spitzel abziehe, dann könne er noch stärker an der Erneuerung Deutschlands arbeiten, versichert er den Delegierten. Voigt kündigt weitere Siege seiner Partei an. Auch die DVU ("unser Bündnispartner, dem wir unsere Unterstützung zusichern") soll nicht leer ausgehen. Auf der anschließenden Pressekonferenz wird für die Bürgerschaftswahl in Bremen im Mai 2007 ein "fantastisches Ergebnis" für die DVU in Aussicht gestellt, die in Absprache mit der NPD in der Hansestadt antritt. Wo der eigens angereiste DVU-Vorsitzende Gerhard Frey noch ein Landesparlament im Blick hat, da kündigt Voigt für 2009 den Einzug in den Bundestag an.

"Wir garantieren, daß jeder Deutsche in Deutschland wieder Arbeit haben wird", lautet eine der Kernaussagen in Voigts Rede. Und wie soll das gehen? Wenn die "Globalisierung bekämpft" werde und die "Ausländer zurückgeführt" würden, dann - ja, dann - sei genug Geld für "deutsche Aufgaben" da. Dann habe das deutsche Volk eine Zukunft. Zum Abschluß singt man das Deutschlandlied, nachdem die Delegierten den NPD-Schlachtruf skandieren durften: "Hoch die nationale Solidarität!"

Die anschließende Pressekonferenz muß provisorisch hinter der Bühne abgehalten werden. Den längst vorbereiteten Raum samt Stühlen haben "dreißig martialisch gekleidete Polizisten" vorher geräumt, klagt NPD-Pressesprecher Klaus Beier. So müssen die Journalisten stehen. Und zu essen gibt es auch nichts. Vorher habe man ihm noch zugesichert, daß der Raum mitgenutzt werden dürfe, sagt Beier. Dagegen sagt der anwesende Polizeieinsatzleiter über die Räumung, die NPD sei selbst schuld. "Von denen war kein Verantwortlicher auszumachen, da habe ich die Räumung befohlen." Angeblich aus Sicherheitsgründen.

In wessen Auftrag? "Im Auftrag des Bezirksamts." Wer genau hat das angeordnet? "Das sage ich Ihnen nicht." Keine Antwort ist in diesem Fall auch eine Antwort. Es sieht so aus, als habe Marlies Wanjura der NPD so am Ende doch noch ein Schnippchen geschlagen.

Foto: NPD-Parteitag in Berlin-Reinickendorf: Einzug in den Bundestag als nächstes Ziel ausgegeben


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