© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/06 17. November 2006

NPD-Parteitag
Volksfront gegen den Rechtsstaat
Doris Neujahr

Parteitage sind nach Paragraph 9 des Parteiengesetzes zwingend vorgeschrieben, um Satzung und Führung einer Partei zu bestimmen. Diese Vorschrift soll ein Mindestmaß an innerparteilicher Demokratie sowie Transparenz und Kontrolle seitens der Mitgliederbasis und der Öffentlichkeit sichern. Die NPD ist eine legale Partei. Sie hat nicht nur das Recht, sie steht sogar in der Pflicht, einen Parteitag abzuhalten. Wer sie daran hindert, nimmt neben der Nötigung auch den Verstoß gegen das Parteiengesetz in Kauf, dessen Paragraph 5 die Gleichbehandlung der Parteien vorsieht. Er will seine eigenen politischen Vorlieben und Interessen über das Gesetz stellen. Erst der Spruch des Oberverwaltungsgerichts hat in letzter Minute diesen anarchischen Zustand verhindert.

Politik und Medien waren außerstande, dieses Minimum an demokratischem und Rechtsbewußtsein aufzubringen. Der NPD-Bundesparteitag am vergangenen Samstag in Berlin veranlaßte sie zu einer regelrechten Kriegsberichterstattung, die darauf abzielte, mögliche Vermieter von Versammlungsräumen einzuschüchtern und die Justiz unter Druck zu setzen. Als das nichts half, riefen hochrangige Politiker zu einer Kundgebung vor dem Tagungsgebäude auf - in der Erwartung, Tausende würden zusammenströmen und die Zugänge blockieren. Die Gesetze und das staatliche Gewaltmonopol sollten außer Kraft gesetzt werden und an ihre Stelle der Druck der Straße treten. In derart selbstherrlicher action directe erkannte die glühende Demokratin Hannah Arendt das Bündnis zwischen Elite und Mob!

600 Polizisten zogen auf, um den Parteitag zu schützen. Vor Ort waren auch die Spitzenkräfte der Berliner SPD, PDS, CDU, FDP und Grünen. Unter ihnen ragten die ehemalige stramme FDJ-Sekretärin Petra Pau (PDS) hervor, die zur Bundestagsvizepräsidentin aufgestiegen ist, sowie Friedbert Pflüger, ehedem Chef christdemokratischer Studenten und kürzlich gescheiterter Spitzenkandidat der Berliner Union, der alle Aussichten hat, bald als dienstältester Nachwuchspolitiker der CDU in Rente zu gehen. Von soviel freiwilliger Volksfront konnte selbst die SED nur träumen.

Aber was heißt denn Volksfront? Das Volk blieb zu Hause und die Politiker unter sich. Nur der übliche Antifa-Troß und ein paar zerknitterte Alt-68er fanden sich ein. Lediglich 400 Gegendemonstranten vermeldete die angerückte Presse. Die zum "Kampf gegen Rechts" aufgerufenen Berliner hatten erfaßt, daß die Hysterie eine künstliche und ein Manöver der etablierten Politiker war, um von ihrer Ratlosigkeit gegenüber den realen Problemen abzulenken, und gingen ihnen nicht auf den Leim. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat nach dem Parteitag eine härtere Gangart gegen die NPD angekündigt. Etwa aus Enttäuschung darüber, weil er so unspektakulär verlief, inhaltlich nicht der Rede wert war und die Bürger gelassen blieben? Bloß auf die lange angekündigte politisch-argumentative Auseinandersetzung von SPD, PDS, CDU, FDP und Grünen mit der NPD wartet man vergebens.

Der trübe Novembertag hat jedenfalls klargestellt: Die deutschen Bürger sind kein Mob. Und die Politiker und Journalisten sind keine Eliten!


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