Lauter Plädoyers für Preußen
Die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft präsentiert die Beiträge eines Preußen-Seminars vom Frühjahr nun als Sonderausgabe
Hans-Joachim von Leesen

Das Ziel, das Churchill am meisten am Herzen lag, wurde erreicht: Preußen ist zerschlagen. Was damit verlorenging, das wird in der soeben erschienen Sonderausgabe des Deutschland-Journals "Preußen und das preußisch-deutsche Reich" dokumentiert.

Herausgeber ist die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG), der es gelang, die wohl namhaftesten Preußen-Kenner für ein Seminar im Frühjahr 2006 zu gewinnen. Deren Referate liegen nun als Sonderausgabe vor. Ehrhardt Bödecker, Gründer und Betreiber des begeisternden Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau, faßt die preußischen Errungenschaften zusammen, die hinter der angeblichen Militärseligkeit zu verschwinden drohen: die seit 1609 in Brandenburg bestehende Glaubensfreiheit - weit vor anderen europäischen Staaten. Mustergültig war die preußische Verwaltung, der die Bürger vertrauen konnten, weil Preußen ein Rechtsstaat war. Preußen schaffte bereits 1714 die Hexenverfolgung ab wie generell die Folter und die Sklaverei - ganz im Gegensatz etwa zur damals bedeutendsten Sklavenhändlernation England. Das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht wurde von Bismarck im Deutschen Reich eingeführt - längst bevor es die meisten anderen europäischen Staaten nachmachten: In England galt das große Grundbesitzer begünstigende Klassenwahlrecht noch bis 1949. Preußen-Deutschland war der erste Sozialstaat in der Welt. "Doch die bedeutendste Leistung des brandenburgisch-preußischen Staates war die Förderung von Bildung, Erziehung und Wissenschaft", schreibt Bödecker.

Gerd Heinrich, emeritierter Professor für historische Landeskunde an der FU Berlin, äußert sich über den Staatsgedanken und die Staatstugenden Preußens. Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. begründete bereits 1723 den modernen Verwaltungsstaat; sein Sohn setzte die Verfassungsreformen erfolgreich fort.

Reaktionärer Obrigkeitsstaat Preußen ist eine Legende

Die Behauptung vom "reaktionären Obrigkeitsstaat" nennt Heinrich eine Legende und belegt das mit zahlreichen Fakten. Immer wieder unterzog Preußen sein Landrecht zeitgemäßen Reformen. Internationales Ansehen errang Preußen und mit ihm das entstehende Deutsche Reich vor allem durch seine Wissenschaftskultur, das im Lande entwickelte Schul- und Hochschulwesen und sonstige Bildungseinrichtungen, die für viele Staaten der Welt Vorbilder wurden. Iselin Gundermann, bis 2000 Wissenschaftliche Direktorin am Geheimen Staatsarchiv Berlin, geht gesondert auf die sparsame und pragmatische Verwaltung ein.

Einer der renommierten modernen Preußen-Forscher, der Historiker Bernhard vom Brocke von der Universität Kassel, widmet seinen Beitrag der Bildung und Wissenschaft als neue Produktivkräfte. Nach seinen Darlegungen haben zwei Faktoren Preußen groß gemacht: die Armee und die Schule. Pflichttreue, Sparsamkeit, Ordnung und Uneigennützigkeit, heute als Sekundärtugenden abgewertet, waren in Preußen oberste Gebote. So wurden bereits 1660 Volksschulen gegründet, die 1779 in der Einführung der allgemeinen Schulpflicht als erstem Flächenstaat Europas mündete. Die Freiheit der Forschung, der Lehre und des Lernens wurde von Humboldt umgesetzt. Er und seine Nachfolger ließen durch ständige Reformen das preußische und später das deutsche Schulsystem zu dem modernsten und offensten ihrer Zeit werden. Der junge Historiker Frank Riedel zeichnet das Bild des Landrates, jenes "Königs von Preußen in der Provinz", den er ein Paradebeispiel effizienten Regierens nennt. An drei Persönlichkeiten schildert er die Wirksamkeit des von seinem Landgebiet gewählten, von der Krone ernannten und der Regierung unterstehenden höchsten Regierungsvertreters.

Die Sonderausgabe "Preußen" des Deutschland-Journals ist gegen Einsendung von 3,85 Euro in Briefmarken (plus 2 Euro Versandkosten) bei der SWG, Postfach 261827 in 20508 Hamburg zu beziehen.