© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/06 10. November 2006

Konservative Gegengründung
Ungarn: Die deutschsprachige Andrássy-Universität in Budapest feiert ihr fünfjähriges Bestehen / Elitenbildung für Mitteleuropa
Martin Schmidt

Daß die deutschen Medien in diesen Tagen in Sachen Bildungspolitik den Blick auf die "International University Bremen" gerichtet haben, ist symptomatisch. Wenn sie dabei voll des Lobes für die englischsprachige "Eliteuniversität" an der Weser sind, so zeigt dies das weithin verlorengegangene Vertrauen in die Qualität der auf Humboldt zurückgehenden Bildungslandschaft unseres Landes. Anstelle einer Besinnung auf die große Tradition der einst international hochgeachteten deutschen Universitäten ist die Umkrempelung der Akademikerausbildung nach angloamerikanischem Vorbild angesagt. Vom selbstbewußten Umgang mit der deutschen Muttersprache ist ohnehin nicht mehr die Rede.

Alternativen zeigt die "Deutschsprachige Gyula-Andrássy-Universität Budapest". Diese wurde im November 2002 feierlich eröffnet. Sie ist die einzige deutschsprachige Universität in Ostmitteleuropa - und die erste deutschsprachige Hochschule überhaupt, die nach 1945 außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachraumes entstand. Schon der Name der zentral gelegenen, im 1862 erbauten Festetics-Palais untergebrachten postgradualen Privathochschule ist Programm: Graf Gyula Andrássy (1823-90) war maßgeblich am österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 beteiligt und schuf im Jahre 1879 gemeinsam mit Bismarck den Zweibund zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn. Sein gleichnamiger Sohn (1860-1929) war 1918 letzter Außenminister der Donaumonarchie.

Enge Beziehungen zum deutschen Kulturraum sowie der Mitteleuropagedanke sind das Fundament der von der damaligen rechtsbürgerlichen ungarischen Regierung unter Viktor Orbán auf den Weg gebrachten Lehranstalt. "Die Universität bezieht sich auf das Erbe der 1945 geschlossenen Karls-Universität in Prag", heißt es auf deren Internetseite. "Sie will Führungskräfte ausbilden, die mit der Vergangenheit und der Gegenwart Mitteleuropas vertraut sind und Verständnis für die Besonderheiten der Region haben."

Hilfe aus Deutschland, Österreich und der Schweiz

Das Profil der interdisziplinären Andrássy-Universität zeigt sich in Fächern wie "Mitteleuropäische Studien", "Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften" und "Internationale Beziehungen (Diplomatie)". Man will Führungskräfte für Verwaltungen, nichtstaatliche Organisationen und den auswärtigen Dienst "in Mitteleuropa und für Mitteleuropa" ausbilden.

Im Gründungskuratorium waren konservative Vertreter tonangebend, was die damals noch oppositionellen Sozialisten (MSZP) und Linksliberalen (SZDSZ) dazu bewogen hatte, das von der Regierung Orbán verabschiedete Gesetz zur staatlichen Anerkennung der Andrássy-Universität abzulehnen. Bemerkenswert ist, daß sich die Einrichtung erklärtermaßen mit den christlichen Wurzeln Europas und den Vereinheitlichungsgefahren der Globalisierung beschäftigt und sich ausdrücklich zum Humboldtschen Bildungsideal und dem "Europa der Vaterländer" bekennt. Finanzielle Unterstützung für die durch das Berliner Auswärtige Amt mit geförderte Universität gibt es unter anderem aus Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und der Schweiz sowie von Stiftungen und der Wirtschaft.

Die Andrássy-Universität sei eine "konservative Gegengründung zur ungleich größeren US-amerikanischen Budapester Central European University" (CEU), schrieb die Neue Zürcher Zeitung. Statt "Praxisnähe und Pragmatismus des amerikanischen Bildungssystems" gebe es eine "universitäre Traditionspflege in Form der Bewahrung eigener, spezifisch geschichtlich vermittelter Werte". Der Kontrast der beiden Lehranstalten wird noch deutlicher, wenn man weiß, daß die von der Stiftung des in Ungarn geborenen US-Milliardärs George Soros finanzierte CEU bei den ungarischen Parlamentswahlen 2002 mit Plakaten erfolgreich Stimmung gegen die Orbán-Regierung machte - seither regiert in Ungarn eine MSZP-SZDSZ-Koalition.

Der Gründungsrektor der Andrássy-Universität, György Hazai, versuchte, den Anfeindungen die Spitze zu nehmen, indem er sich gegen eine "politische Mitteleuropaidee" aussprach. Er gilt als Integrationsfigur, der das Kunststück gelungen war, ausgerechnet an der von ihm mitbegründeten griechisch-zypriotischen Universität von Nikosia sein Spezialgebiet Turkologie einzuführen. Neben ihm verpflichtete das konservative Kuratorium neun ungarische Dozenten und je zwei aus Bayern, Baden-Württemberg und Österreich.

Angesichts des immer noch hohen Stellenwerts der deutschen Sprache in Ungarn entschieden sich die heute immer noch regierenden Linksparteien dennoch für eine weitere Förderung. Und trotz aller aktuellen Grabenkämpfe ("Revolte gegen den Lügenpremier" JF 40/06) kann Ungarn in mancher Hinsicht als Vorbild gelten. So wurde am 21. Oktober unweit von Budapest ein privat finanziertes zentrales Denkmal für die Opfer des Weltkommunismus eingeweiht. Und bereits seit dem 18. Juni existiert im nahe der Hauptstadt gelegenen Wudersch (Budaörs) eine Gedenkstätte für die etwa 200.000 ungarndeutschen Vertreibungsopfer.

Nachdem sich anfangs 70 Studenten für das zweijährige Aufbaustudium im Festetics-Palais eingeschrieben hatten - zumeist Ungarn oder Auslandsungarn - sind es heute 150 mit Stipendien geförderte Jungakademiker. Unterrichtet werden diese von mittlerweile 16 ständigen und rund 20 Gastprofessoren. Unter den Studenten befinden sich Deutsche, die das Elitekonzept der Andrássy-Universität überzeugt hat.

Informationen zur Andrássy-Universität finden sich im Internet: www.andrassyuni.hu 


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