© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/06 03. November 2006

"Keine Rumpelstilzchen-Kirche mehr sein!"
Der konservative Kirchenaktivist Andreas Späth fordert die Rückkehr der Kirche zu Gott
Moritz Schwarz

Herr Späth, bei der evangelischen Kirche ist oft mehr von christlichen Werten als von Gott die Rede. Steht in der Amtskirche Gott noch an erster Stelle?

Späth: Für viele Pfarrer und Gemeindeglieder schon. Beim Kirchenestablishment, das die Kirchensynoden in der Regel dominiert, sieht es aber oft anders aus. Vielfach beschäftigt man sich lieber auch mit solchen gesellschaftlichen Themen, die nicht zur Kernkompetenz der Kirche gehören, wie etwa sozialen Details, die nicht mehr die Grundfrage nach der Gerechtigkeit berühren. In Evangelischen Akademien werden sogar dezidiert antichristliche Angebote gemacht, etwa völlig unkritisch gehaltene Seminare zur Einführung in das Heidentum.

Die Präsidentin der Bremischen Landeskirche, Brigitte Boehme, entschuldigt den Vorrang weltlicher Themen damit, daß Gott schließlich immer "mitgedacht" werde.

Späth: Nur eine Rumpelstilzchen-Kirche ("Ach wie gut, daß niemand weiß ...") wird Gott leise mitdenken. Denn das bedeutet, Gott an die bestenfalls zweite Stelle zu setzen. Der Christ denkt von Christus her. Manchmal habe ich den Eindruck, man denkt an Marx und Marcuse, statt an Gott.

Was befürchten Sie für eine Kirche, die Gott nicht mehr in den Mittelpunkt stellt?

Späth: Christusglaube propagiert nicht "Religion". Er ist nicht menschliches Suchen, sondern Folge göttlicher Offenbarung. Jesu Versprechen, seine Kirche werde von den Pforten der Hölle nicht überwunden, ist zutreffend. Eine Kirche, die nur dem Namen nach ihm gehört, wird allerdings vergehen. Ein Ex-Moslem sagte: "Euer Problem ist nicht zuerst der aggressive Islam, sondern ein geistlich totes Christentum, das dem Islam nichts entgegensetzen kann."

Bischof Huber verspricht im sogenannten Impulspapier der EKD "Kirche der Freiheit": "Wo evangelisch draufsteht, muß Evangelium erfahrbar sein".

Späth: Das war immer unsere Forderung. Diese Formulierung ist hart, aber nötig. Die richtige Diagnose ist ein Schritt zur richtigen Behandlung. Leider sehen wir kaum Ansätze zur Besserung. Es geht doch nicht zuerst um ein strukturelles Problem. Wie sollten bibelkritische Pfarrer, die dem kindhaften Glauben - von dem Jesus sagt, daß man ohne ihn nicht in den Himmel kommt - abgeschworen haben, nun plötzlich "Evangelium erfahrbar machen"? Es ginge zuerst um Umkehr. "Buße" taucht im EKD-Papier allerdings wohl nur im Zusammenhang mit "finanziellen Einbußen" auf!?

Was erwarten Sie also vom Impulspapier?

Späth: Leider wenig. Es kommt allein auf Treue zu Gott und seinem Wort an. Zwar freut uns, daß "Mission" nicht mehr als "reaktionäres Gerede" abqualifiziert wird. Ein schaler Geschmack freilich bleibt durch die Sorge, das Motiv für den Umschwung könne mehr im Bedeutungsverlust und in der sinkenden Kirchensteuer, denn in der Sorge um die für das Reich Gottes verlorenen Seelen liegen. Wir haben aber keine Finanzkrise, sondern eine Glaubenskrise!

Konservative Gruppen in der Amtskirche, wie die "Kirchliche Sammlung" kritisieren das schon lange.

Späth: Ja, als Christen stellen wir uns dem Abfall von Gottes Wort auch in unserer eigenen Kirche entgegen. Aber Widerstand allein bringt nur Verbitterung. Deshalb ist eine geistliche Erneuerung im persönlichen wie im gemeindlichen Leben nötig. Die dritte Säule unserer Arbeit ist die Betonung der Relevanz des christlichen Glaubens für die Gesellschaft. So halten wir auch Vorträge zu den Achtundsechzigern, gründeten eine Stiftung, die christliche Schulen fördert, beten für Verantwortungsträger, sprechen mit Politikern. Wir gehören zum evangelikalen Spektrum. Bei uns haben Pietisten, Charismatiker und Hochkirchler ihren Platz. Der Kitt unseres Verbandes ist die lutherische Lehre. Unsere Mitglieder treten in der Regel nicht aus der Kirche aus. Gott hat uns nicht ohne Grund in sie gestellt. Als wiedergeborene Christen sind wir wahre Kirche und wollen die Kirche, die wir lieben, aus der Babylonischen Gefangenschaft der Modernisten und Achtundsechziger zurückhaben.

In diesem Zusammenhang kritisieren Sie auch das Projekt "Bibel in gerechter Sprache".

Späth: Die sogenannte "Bibel" in gerechter Sprache ist Werk des Diabolos. Gottes Wort wird verdreht, entstellt und wahrheitswidrig ihm in den Mund gelegt. Denn es handelt sich nicht etwa um eine moderne Übersetzung nach bestem Wissen und Gewissen - die Bibel ist immer übersetzt worden -, sondern um eine Umschreibung zu gesellschaftspolitischen Zwecken. "So spricht der Herr" - eben nicht! Was da spricht, ist Ideologie, Political Correctness und "aufklärerische" Volkspädagogik. Diese "Bibel" anerkennen hieße, Feuerbachs Rede vom Menschen, der sich Gott nach seinem Bilde schafft, recht geben. Hier soll ein Menschenbild ein Gottesbild schaffen, um damit wieder Menschen zu prägen. Die Frankfurter Schule grüßt! Mit dem Gott der Bibel hat das nichts zu tun! Das Volk merkt es auch. Keiner, der im Sterben liegt, will PC-Gequatsche, sondern Gottes Trost, in dem er sterben und aufs neue leben kann.

 

Andreas Späth, geboren 1971 in Augsburg, ist Vorsitzender der konservativen Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis (KSBB) in der bayerischen Landeskirche.

Kontakt und Informationen: KSBB, Postfach 90 10 06, 81510 München, Telefon und Fax: 089 / 69 75 88 72, im Internet: www.ksbb-bayern.de

 

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