© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/06 27. Oktober 2006

Kriegshandwerk hautnah
Das Frankfurter Filmmuseum würdigt "Das Boot" mit einer Sonderausstellung
Werner Olles

Herbst 1941 im besetzten Frankreich, U-Boot-Stützpunkt La Rochelle an der Atlantikküste. In der "Bar Royal" feiern die jungen U-Boot-Fahrer einen frischgebackenen Ritterkreuzträger. Die Männer wissen, daß sie vielleicht morgen schon nicht mehr am Leben sind. Der Alkohol betäubt ihre Ängste, der laute Galgenhumor ihre Ohnmacht. Am nächsten Morgen gleitet die U 96 mit 43 Mann Besatzung ruhig aus dem riesigen Bunker. Ein Musikzug schmettert das Engellandlied: Antritt zur Feindfahrt. Die Helden sind Milchbärte, Knabengesichter, kaum zwanzig, der "Alte" ist noch keine dreißig, Leutnant Werner dreiundzwanzig. Die U 96 pflügt durch die graue See.

"Das Boot", entstanden nach Lothar Günter Buchheims gleichnamigem Buch - halb Roman und halb Erlebnisbericht - sollte eigentlich schon 1976 gedreht werden, mit amerikanischer Beteiligung und John Sturges oder Don Siegel als Regisseur und Robert Redford oder Paul Newman in der Rolle des Kommandanten. Doch man konnte sich mit dem eigenwilligen Buchheim nicht über das Drehbuch einigen, und so stand 1979 die rein deutsche Produktion fest unter dem neuen Bavaria-Leiter Günter Rohrbach mit dem noch relativ unbekannten Regisseur Wolfgang Petersen.

Die Premiere 1981 war ein Ereignis ersten Ranges, und dies obwohl Buchheim aus allen Rohren gegen den Film schoß. Aber Rohrbach und Petersen ließen sich klugerweise keine Diskussion über die Definition "Kriegsfilm" oder "Anti-Kriegsfilm" aufzwingen. Tatsächlich erzählte der Film allein aus deutscher Sicht - was für sich genommen bereits ein Novum war - eine authentische U-Boot-Operation im Atlantik vom 19. Oktober bis 27. Dezember 1941.

Vier Jahre nach der Kinopremiere wurde "Das Boot" zur erfolgreichen siebenstündigen Fernsehserie. Und 1997 generalüberholte Petersen sein Meisterwerk, verpaßte ihm einen neuen Schnitt und versah den dreieinhalb Stunden langen "Director's Cut" zudem mit einem neuen phantastischen Sound des Komponisten Klaus Doldinger, der dafür die Goldene Schallplatte erhielt. Mit sechs Oscar-Nominierungen ist der Film bis heute die international erfolgreichste deutsche Nachkriegsproduktion. Er öffnete Petersen und dem Hauptdarsteller Jürgen Prochnow die Tür nach Hollywood, aber auch die anderen Darsteller wie der leider inzwischen verstorbene Klaus Wennemann, Herbert Grönemeyer, Heinz Hoenig, Uwe Ochsenknecht, Bernd Tauber, Martin Semmelrogge, Martin May, Erwin Leder und Claude-Oliver Rudolph wurden dank "Das Boot" zu gefragten Akteuren.

Grund genug, 25 Jahre nach der Uraufführung mit einer Ausstellung im Frankfurter Deutschen Filmmuseum an die Geschichte und Herstellung dieses Welterfolgs zu erinnern. Unter dem Titel "Das Boot Revisited - Auf der Suche nach der Crew der U 96" erzählt sie aber nicht nur die gesamte Produktions- und Rezeptionsgeschichte des Films und präsentiert dabei solche herausragenden Exponate wie ein 5,50 Meter langes Modell der U 96, Original-Kostüme und -Requisiten wie Grönemeyers berühmten Rollkragenpullover, Prochnows Ledermantel und Kapitänsmütze oder die Handkamera des Kameramannes Jost Vacano, eine legendäre Enigma-Dechiffriermaschine und eine Tauchretter-Ausrüstung, sondern bietet auch Einblicke in Drehpläne, Arbeitsbücher, Konstruktionsentwürfe sowie eine große Anzahl bislang unveröffentlicher Fotos.

Ebenfalls ausgestellt sind historische Fakten und Fotografien zum U-Boot-Krieg, der besonders in den schrecklichen Atlantikschlachten wütete. Von 40.000 deutschen U-Boot-Fahrern des Zweiten Weltkrieges kehrten über 30.000 von ihren Feindfahrten nicht mehr zurück.

Auf die nationale und internationale Rezeptionsgeschichte des Films weist eine Dokumentation der recht unterschiedlichen Pressestimmen hin. Immerhin warfen viele Kritiker - vor allem in deutschen Medien - dem Film vor, "inhaltlich weder die politische Situation des Zweiten Weltkrieges zu reflektieren, noch auf Distanz zum Kriegshandwerk zu gehen" (Lexikon des Internationalen Films). Petersen seinerseits beschrieb "Das Boot" als einen "Film über den Krieg, der insofern keiner Legitimation durch Tendenz bedarf. Wir versuchen die Zuschauer emotional in die Geschichte hineinzuziehen. Wir wollen zeigen, wie Menschen den Krieg erleben, erleiden, erdulden und sich dabei total verändern."

Das Ergebnis der über zweijährigen Recherchearbeiten des Kuratorenteams um Sven Fernerling, Georg Crill und Carsten Bauer kann sich sehen lassen. Viele Mitwirkende an dem Film stellten Leihgaben zur Verfügung, um so ihre ganz subjektiven Erinnerungen auf sehr persönliche Weise zu kommentieren. Nachgezeichnet werden aber auch die Karrieren der Stars und Filmemacher, erinnert sei nur an die glanzvolle Hollywood-Laufbahn von Wolfgang Petersen ("In the Line of Fire ", "Outbreak", "Air Force One", "Der Sturm", "Troja").

Die Sonderausstellung wird von einer Filmreihe verschiedener Fassungen von "Das Boot" sowie diversen weiteren berühmten U-Boot-Filmen begleitet. Der umfangreiche Katalog mit zahlreichen Abbildungen enthält über fünfzig Interviews mit Mitgliedern des Filmteams, eine Chronologie der Dreharbeiten sowie eine Dokumentation originaler Produktionsunterlagen. Zudem würdigt er noch einmal die außerordentlichen Leistungen der Schauspieler und aller anderen Stabmitglieder.

Die Ausstellung ist bis zum 6. Januar 2007 im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, in Frankfurt am Main zu sehen.

Foto: Film-Crew "Das Boot" (1981): Ein Film weder für noch gegen, sondern über den Krieg


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