© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/06 27. Oktober 2006

Revolution im Geiste
Nachruf: Thatchers Vordenker Ralph Harris verstorben
Catherine Owerman

Nicht mehr vielen Briten ist der Name Ralph Harris ein Begriff. Dabei hat der langjährige Spiritus rector des Institute of Economic Affairs (IEA) ihr Leben verändert. Das Vereinigte Königreich sähe heute anders aus, wenn nicht der brillante Denker Harris mit einigen anderen den Thatcherismus erfunden hätte - in den fünfziger Jahren, als die spätere Premierministerin noch ihre Zwillinge wickelte.

Nach dem Krieg hatte sich ein keynesianisch-wohlfahrtsstaatlicher Konsens wie Mehltau über das Land gelegt. Ob Labour oder Tories regierten, war fast egal: Die Wirtschaftspolitik war stets interventionistisch und gewerkschaftsorientiert. In den siebziger Jahren machten Inflation, Arbeitslosigkeit, Defizite und Streiks das Land zum "kranke Mann" Europas. Margaret Thatcher wurde 1975 Tory-Chefin und griff dabei auf Konzepte zurück, die Ralph Harris und Arthur Seldon vom IEA entwickelt hatten. Gegründet hatte es 1957 der Unternehmer Anthony Fisher auf Anraten Friedrich August von Hayeks, um das Meinungsklima mit marktliberalen Ideen zu beeinflussen.

Der 1924 in eine Arbeiterfamilie in Tottenham geborene Harris hatte Ökonomie studiert und schon eine Karriere als Leitartikler beim Glasgow Herald gemacht, als Fisher ihn zum IEA holte. Harris Geschick war zu verdanken, daß der kleine "Think Tank" im Zentrum Londons zur Keimzelle einer geistigen Revolution wurde, die den alten sozialistischen Konsens aufbrach.

Thatcher, die ihn gleich bei Amtsantritt 1979 als Lord Harris of High Cross in den Adelsstand hob, lobte später: "Was wir geschafft haben, hätte niemals getan werden können ohne die Führung des IEA." Die marktliberalen Reformen der achtziger Jahre verhalfen Großbritannien zu neuer ökonomischer Kraft. Premier Tony Blair machte sich die zentrale Lehre der angebotstheoretischen Wirtschaftspolitik zu eigen. Später betätigte sich Harris als entschieden euroskeptischer Publizist und warnte vor einem Brüsseler "Superstaat". Inzwischen verblaßt der Thatcherismus - selbst in der eigenen Partei, wo mit David Cameron nun ein weichgespülter Linkskonservativer den Ton angibt. Mit Harris, der vergangenen Donnerstag starb, ist einer der letzten gegangen, die noch wußten, wofür Thatcher stand.

Foto: Ralph Harris: Baron of High Cross


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