© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/06 20. Oktober 2006

Sarastro singt im Gruselkabinett
Ausstellung: Freimaurer
Matthias Schultz

Licht will sie ins Dunkel bringen, mit Vorurteilen aufräumen. Die aktuelle Sonderausstellung im Bremer Focke-Museum widmet sich einem geheimnisumwitterten und von vielen Spekulationen umrankten Thema: der Freimaurerei. Schon zu Beginn wird der Besucher mit finstersten Klischees konfrontiert, ein Horrorstreifen der nationalsozialistischen Propaganda zeigt Skelette, Särge, Knochen und Kerzen. Die braunen Machthaber verboten die Vereinigungen, witterten sie doch eine "jüdisch-bolschewistisch-freimaurerische Weltverschwörung".

Dabei sind es vor allen Dingen die Ideale der Aufklärung, die den Freimaurerlogen bis heute ihre Grundlagen liefern. Schon vor der Französischen Revolution forderten sie von ihren Anhängern Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Und tatsächlich fanden sie auch Förderer und Freunde bis hinein in die höchsten Schichten, gekrönte Häupter wie Kaiser Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich III. waren ebenso aktiv wie herausragende Künstler und Literaten. Lessing, Goethe, Herder, Freiherr von Knigge, Haydn und Lortzing gehörten ihnen an und natürlich Wolfgang Amadeus Mozart. Er hat den Freimaurern mit seiner Oper "Die Zauberflöte" ein musikalisches Denkmal gesetzt, und die Arie Sarastros läuft nun auch ohne Unterlaß in der Ausstellung.

Eigentlich waren die Freimaurer Aufklärer

Dort führt ein labyrinthartiger Parcours zwischen dunkelblauen Stoffbahnen den Besucher zu den einzelnen Abschnitten, die ein Freimaurer zu durchlaufen hat. Als erstes wird er als "Suchender" vor seiner Aufnahme als "Lehrling" in einer Loge in die "Dunkle Kammer" geführt. Vor einem Schädel, einer Kerze, der Bibel und einem Stundenglas als Symbol der Vergänglichkeit muß er über sein bisheriges Leben nachdenken. Dann wird er mit verbundenen Augen in den hell erleuchteten "Tempel" zu den anderen Brüdern geführt und befragt. Anschließend wird über seine Aufnahme mit weißen und schwarzen Kugeln abgestimmt. Mit vielen Exponaten von Bremer Logen und aus ganz Deutschland wird diese von tradierten Riten geprägte Welt veranschaulicht und ihre Bedeutungen erläutert. Bibel, Winkelmaß und Zirkel stehen für die drei "großen Lichter" Weisheit, Schönheit und Stärke, der "rauhe Stein" für die Unvollkommenheit des Menschen, das Senkblei für die Suche nach der Wahrheit.

Als Herzstück der Ausstellung ist der Tempel einer Bremer Loge nachgebaut worden. Ein länglich-rechteckiger Raum unter einer sternenübersäten Decke, in dessen Zentrum der "Arbeitsteppich" liegt. Drumherum stehen drei Säulen mit Kerzen darauf, im Norden und Süden sitzen die Brüder, im Osten der Meister vom Stuhl. Diesen Titel kann ein Freimaurer allerdings erst erlangen, wenn er das Ritual der Meisterprüfung mit Sarg, symbolischem Tod und Wiedererweckung überstanden hat.

Nach diesem sehr interessanten und spannend inszenierten Ausstellungsteil werden noch die gesamte Geschichte der Freimaurerei und ihre speziellen bremischen Bezüge erklärt, die Einteilung der Logen in die ersten drei Johannis-Grade und die weiteren beiden, auch "rote Maurerei" genannten Hochgrade der Andreas-Grade. Die wiederum beziehen sich in ihren Ursprüngen auf die Tempelritter, wohingegen die eigentliche Freimaurerei aus den Bauhütten des Mittelalters entstanden ist. Zum Abschluß kommen Mitglieder der Logen ebenso wie Kritiker der Freimaurer in Interviews zu Wort.

Die Ausstellung "Licht ins Dunkel. Die Freimaurer und Bremen" ist noch bis zum 29. Oktober im Bremer Focke-Museum, Schwachhauser Heerstraße 240, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, Di. bis 21 Uhr, zu sehen.


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