© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Reptilmann und Riesenspinne
Obsessionen: Jack Arnold
Werner Olles

In den fünfziger Jahren entstand eine Serie von Science-fiction- und Horrorfilmen, die bis heute zu den Klassikern des Genres zählt. Innerhalb dieses Genres evozierten besonders die Filme Jack Arnolds die Traumata jener Dekade: die tödliche Bedrohung durch wissenschaftlichen Mißbrauch oder durch Invasionen aus dem All und immer wieder auch den Einbruch des unerklärlichen Grauens in die kleinbürgerliche Gemütlichkeit eines friedvollen US-Städtchens. Arnold gelang eine mythopoetische Deutung, die die Neurosen des "Zeitgeistes" der fünfziger Jahre nicht nur formelhaft wiedergab, sondern auch schlüssig verarbeitete.

Am 14. Oktober 1916 in New Haven, Connecticut, geboren, begann er seine Karriere als Dokumentarfilmer. Arnold brach als erster mit der konventionellen Bildgestaltung der SF-Thematik, indem er mit der im 3D-Verfahren gefilmten Eröffnungsszene einer Meteorexplosion in "Gefahr aus dem Weltall" (1953) die Kinozuschauer beeindruckte. Ein Jahr später schuf er den Kiemenmenschen in "Der Schrecken vom Amazonas". Der Film beginnt mit der Schöpfungsgeschichte; Spuren, die aus dem Wasser kommen, deuten auf die Herkunft des Menschen und verweisen auf die "evolutionäre" Abspaltung des Schuppenwesens.

Eine Szene dieses Films gehört zu den erotischsten, die das Genre je hervorgebracht hat. Die Heldin (Julia Adams) steigt in das Wasser der schwarzen Lagune, ohne zu ahnen, daß der Reptilmann direkt unter ihr schwimmt und magisch von ihr angezogen jede ihrer Bewegungen nachahmt. Wenn er schließlich nach ihrem in einer Art Unterwasserballett schwebenden Körper greift, ist dies wohl die gewalttätigste männliche Brautwerbung, die sich denken läßt.

In Arnolds "Tarantula" (1955) gibt es eine vergleichbare Szene. Die schöne Mara Corday kleidet sich gerade aus, während sie durch ein Fenster im ersten Stock von der zur Riesenspinne mutierten Tarantel lüstern beobachtet wird. Wie die Tarantel durch die schattenhaft nächtliche Wüste streift und von einem Abhang herab auf in einer Koppel weidende Pferde stößt, das ist meisterlich inszeniert und fasziniert einen auch nach über fünfzig Jahren. Am Ende wird dem Monster übrigens von Clint Eastwood in seiner ersten winzigen Rolle als Bomberpilot der Garaus gemacht.

1957 entstand Arnolds schwärzester Film: "Die unglaubliche Geschichte des Mr.C". Während einer Bootsfahrt kommt Scott mit einer radioaktiven Wolke in Kontakt. Die Strahleneinwirkung setzt bei ihm einen Schrumpfungsprozeß in Gang, für den es kein Heilmittel gibt. Seine Frau baut ihm schließlich ein kleines Puppenhäuschen, doch in dieser Mikrowelt wird selbst die Hauskatze zur tödlichen Bedrohung und die Begegnung mit einer Spinne zum Kampf auf Leben und Tod. Zum Schluß philosophiert Mr. C über sein Schicksal und erkennt, daß er selbst in seiner Kleinheit Teil der Schöpfung Gottes ist: Vielleicht sind ja eines Tages alle Menschen so klein wie er, und ganz neue Möglichkeiten des Lebens tun sich auf. Aus einer Veränderung der Größenverhältnisse wird so bei Arnold eine explizite Allegorie auf die tragische Existenz des Menschen.

Am 17. März 1992 starb Jack Arnold im Alter von 81 Jahren in Woodland Hills, Kalifornien.


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