© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Geschäftsmodell
Karl Heinzen

Der Rat der Stadt Delmenhorst hat nahezu einstimmig beschlossen, drei Millionen Euro für den Erwerb des "Hotels am Stadtpark" durch die öffentliche Hand zur Verfügung zu stellen. Der derzeitige Eigentümer scheint unter diesen verbesserten Bedingungen nun endlich dazu bereit zu sein, von einer Veräußerung des Objekts an einen als rechtsextrem beleumdeten Anwalt abzusehen. Diesem wird nachgesagt, er wolle das Hotel zu einer Schulungseinrichtung für die einschlägige Szene umfunktionieren. Gegen derartige Pläne hatten aufgebrachte Bürger aus allen politischen Lagern Protest-aktionen in Szene gesetzt.

Eine Affäre, die wochenlang eine unbescholtene Kleinstadt in Verruf zu bringen drohte, könnte damit nun ein glückliches Ende nehmen. Rechtsextreme, so ihre vorläufige politische Bilanz, rükken zwar die Bundesrepublik im Ausland in ein schlechtes Licht. Indem sie unserer Gesellschaft den Spiegel vorhalten, helfen sie aber auch zugleich, daß die demokratischen Kräfte vom Gezänk des Alltags einmal Abstand nehmen und eine neue Wertschätzung für ihr gemeinsames Wertefundament entwickeln.

Darüber hinaus läßt sich aus diesem Vorfall eine Geschäftsidee herausfiltern, die auch anderorten erfolgversprechend sein könnte. Wer fernab der wenigen verbliebenen Wachstumsregionen unseres Landes eine große Immobilie abstoßen will, verfügt nun über ein wirksames Instrument, die Kommunen zu interessieren, wo private Käufer nicht zu finden sind: Er muß lediglich den Eindruck erwecken, daß ihm ohne Beistand des Staates keine andere Wahl bleibt, als das Objekt in die Hände von Rechtsextremisten zu legen, die hier ein Zentrum für Gleichgesinnte errichten wollen.

Dieser Eindruck ist natürlich nur dann glaubhaft, wenn der Eigentümer auch tatsächlich über einen Partner aus diesem Milieu verfügt, der den Kaufwillen öffentlichkeitswirksam bekundet. Als Entgelt für ihre Dienstleistung stünde den Rechten, analog zur Maklercourtage, eine Beteiligung an dem Verkaufserlös zu, der je nach Qualität der antifaschistischen Kampagne durchaus erkennbar über dem Marktpreis liegen kann.

Dieses Geschäftsmodell läßt sich nicht allein auf ehemalige Hotels, sondern auch auf Läden oder Fabrikationshallen, im Prinzip sogar größere Anwesen mit privater Nutzung erweitern. Es ist zudem unabhängig vom politischen Erfolg der Rechten: Wenn sie dereinst wieder aus den Parlamenten verschwinden, bleibt ihnen doch ihr schlechter Ruf erhalten.


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