© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Wider die Vereinigung
Österreich: Das "Dritte Lager" ist nur wegen des Sonderfalls Kärnten künftig mit zwei Parteien im Nationalrat vertreten
Andreas Mölzer

Der eine saß, der andere stand - das war der deutsche Nationalverband." So hieß es in den letzten Jahren der K.u.K.-Monarchie, wenn man die Zerrissenheit der nationalfreiheitlichen Parteien und Gruppierungen im Reichsrat, dem Parlament der cisleithanischen Reichshälfte der Habsburger Monarchie, darstellen wollte. Bekanntlich stand man ja im altösterreichischen Parlament auf, wenn man abstimmte.

Zerrissenheit und Streit waren auch in der weiteren Entwicklung des seit 1919 "Drittes Lager" genannten nationalfreiheitlichen Bereichs gang und gäbe. Zwei Parteien, die Großdeutsche Volkspartei (GdVP) und der Landbund, existierten in der Zwischenkriegszeit und harmonierten keineswegs immer miteinander. Der 1948 die politische Bühne der Zweiten Republik betretende Verband der Unabhängigen (VdU) zerbrach nach wenigen Jahren.

Auch die Entwicklung der Freiheitlichen Partei Österreichs in den letzten fünfzig Jahren verlief immer wieder alles andere als harmonisch. Abspaltungen von dieser FPÖ waren die 1967 von Norbert Burger gegründete Nationaldemokratische Partei (NDP), die 1984 entstandene Nationalfreiheitliche Aktion (NFA) Otto Scrinzis und das 1993 gegründete Liberale Forum (LiF) der Ex-FPÖ-Generalsekretärin Heide Schmidt. Im April 2005 entstand das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von Ex-FPÖ-Bundesobmann Jörg Haider.

Kameradschaftliche Übereinstimmung, Parteidisziplin und ungetrübte gegenseitige Loyalität waren und sind da also kaum prägewirksam. Eher ist es die sprichwörtliche "deutsche Zwietracht", die sich im nationalfreiheitlichen Bereich nach wie vor bemerkbar macht. Verbindendes muß man meist an den Haaren herbeiziehen, was das "Dritte Lager" betrifft.

Allerdings sind zwischen zwei der prägenden Persönlichkeiten, zwischen Georg Ritter von Schönerer (dem Führer der Deutschnationalen und später der Alldeutschen Bewegung) und dem Bärentaler Jörg Haider, tatsächlich frappierende Ähnlichkeiten festzustellen. Ersterer, geboren 1842 in Wien, bekannt geworden im patriarchalischem Rauschbart-Look des ausgehenden 19. Jahrhunderts, war wahrscheinlich ein ebenso bedenkenloser Populist wie letzterer, der - geboren 1950 in Oberösterreich - als Paradebeispiel des "metrosexuellen" Typus des beginnenden 21. Jahrhunderts die politische Szenerie belebt. Beide überwarfen sie sich mit all ihren politischen Wegbegleitern. Beide waren sie trotz ihrer großen zeitweiligen Erfolge und ihrer Popularität völlig unfähig, eine zweite Volksbewegung zu begründen.

Zwietracht und Hader sind fast so etwas wie konstituierende Elemente des nationalfreiheitlichen Lagers in Österreich. Bei allem Hader gab es aber immer wieder Kooperation und Zusammenfinden auf der Basis der allen mehr oder minder gemeinsamen nationalen und liberalen Ideale. Das Eintreten für die deutsche Identität des Landes und die Wertschätzung des freiheitlichen Rechts- und Verfassungsstaates wog dann immer wieder stärker als Eitelkeit und persönliche Aversionen.

Allerdings wächst auseinander, was auseinander gehört. Das linke LiF ist nun sogar - unter der Führung eines Großprovisions-Vermittlers - auf der SPÖ-Liste mit einem Abgeordneten wiins Parlament gerutscht. Nicht nur politische Taktik, sondern auch ideologische Affinität haben dazu geführt. Von irgendwelchen Ambitionen, sich mit dem herkömmlichen Dritten Lager zu vereinen, ist aber keine Rede mehr.

Ähnlich wird es sich wohl bei der rechtsopportunistischen BZÖ-Abspaltung verhalten. Als Sammelbecken der politischen Beliebigkeitsapostel, die Haider in den neunziger Jahren um sich scharte, findet sich weder von den ideologischen Zügen noch von den sozialen Beziehungen her irgendeine Notwendigkeit zur Wiedervereinigung mit dem Dritten Lager.

Was die Wähler betrifft, so hat die Wiedervereinigung weitestgehend am 1. Oktober 2006 ohnedies unter dem blauen Panier stattgefunden: Die FPÖ mit Heinz-Christian Strache erreichte bundesweit elf Prozent, Haiders BZÖ kam außer in Kärnten in keinem Bundesland über die Vier-Prozent-Hürde.

Alles wäre also ganz einfach, gäbe es da nicht die Ausnahme Kärnten. Hier hat Haider es im Lauf von 20 Jahren verstanden, aus einer akzentuiert nationalliberalen breitfundierten Heimatpartei eine sehr diffuse und inhaltlich unscharf konturierte Wohlfühl- und Lokalpatriotengruppe zu schmieden, die die traditionelle Dimension des Dritten Lagers im südlichen Bundesland bei weitem überschritt und tendenziell über 40 Prozent erreichen konnte. Natürlich gibt es im Kern auch in Kärnten in nicht geringer Stärke jene Schichten, die dem traditionellen nationalfreiheitlichen Lager angehören. Sie haben zu 7,3 Prozent - trotz der massiven Propaganda der orangenen Landeshauptmannpartei - ohnedies FPÖ gewählt.

Haider selbst allerdings verstand es, aus der Nationalratswahl in Kärnten ein Landeshauptmann-Votum zu machen, und erreichte damit 24,9 Prozent - auf Bundesebene 4,1 Prozent und damit ganz knapp den Einzug in den Nationalrat. Verglichen werden muß dieses Ergebnis allerdings mit der Landtagswahl des Jahres 2004 und nicht mit der letzten Nationalratswahl von 2002. Und gemäß diesem Vergleich hat die "Liste Jörg Haider" etwa 17 Prozent der Kärntner Stimmen verloren.

Damit dürften Haiders politische Tage ebenso gezählt sein wie jene der Existenz des Kärntner BZÖ. Alles Gerede, alle Spekulationen um irgendeine Wiedervereinigung zwischen der FPÖ und dem BZÖ sind daher müßig. Im Gegenteil, man muß von freiheitlicher Seite klar wider die Vereinigung auftreten.

Alles andere wäre Unsinn und entspräche bloß kurzatmiger, innenpolitischer Taktik, die dem künftigen Gedeihen des nationalfreiheitlichen Lagers im Lande nicht dienlich wäre und vom Wähler in kürzester Zeit abgestraft würde.

Foto: Ex-FPÖ-Chef Haider bei Motorradtreffen: Nur noch eine Kärntner Wohlfühl- und Lokalpatriotenpartei


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