© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/06 13. Oktober 2006

Ségolène Royal
Die weiße Madonna
von Alain de Benoist

Umfrageergebnisse räumen Ségolène Royal als einziger Sozialistin eine Chance ein, Nicolas Sarkozy bei den französischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2007 zu schlagen. Der bürgerliche Innenminister nimmt diese Zahlen offenbar durchaus ernst - andere hochrangige sozialistische "Kandidaten für die Kandidatur" nicht minder, wie deren ungehaltenen Reaktionen zeigen. Kein Wunder, im Vergleich mit den "Elefanten" der Partei - Polit-Veteranen wie Jack Lang, Dominique Strauss-Kahn, Laurent Fabius - mutet Royal mehr und mehr wie eine Madonna der Zivilgesellschaft an.

Weit über ihr politisches Umfeld hinaus erfreut sie sich außerordentlicher Beliebtheit: Sie ist eine attraktive Frau, hat einen klangvollen Vornamen und einen Nachnamen, der dem monarchistischen Unterbewußtsein der Franzosen schmeichelt. Und ihr politisches Profil? Hier hapert es. Zu vielen Fragen äußert sie sich allenfalls vage. Deswegen sieht sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, zu reden, aber "nichts zu sagen". Sagt sie doch etwas, erntet sie umgehend Widerspruch aus den eigenen Reihen. Und um die Dinge zusätzlich zu komplizieren, fällt es Royals Lebensgefährten François Hollande als Parteivorsitzendem zu, im Konkurrenzkampf zwischen den "Elefanten" den Schiedsrichter zu spielen. Obendrein hat er eine eigene Kandidatur nicht ausgeschlossen.

Royal zog als Einzelkämpferin ins Rennen, zunächst ohne Mitarbeiterstab und Unterstützung seitens ihrer Partei. Mittlerweile stehen ihr allerdings anderweitig 250 Experten als "politische Berater" zur Seite, und peu á peu springen ihr Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie Daniel Cohn-Bendit, bei. Reisen nach Chile, Schweden oder Italien dienen dazu, außenpolitische Kompetenz unter Beweis zu stellen. In Madrid ist sie gar so häufig zu Gast, daß man ihr nach dem dortigen Sozialistenchef den Spitznamen "la Zapatera" verliehen hat.

Ségolène Royal wurde 1953 in Dakar im Senegal geboren und stammt aus einer politisch eindeutig auf der Rechten angesiedelten Familie von Militärs. Unter Regierungschef Lionel Jospin bekleidete sie ein Ministeramt als Delegierte für Jugend und Soziales. Richtig bekannt aber wurde sie durch ihren Wahlkampf um die Präsidentschaft der Region Poitou-Charentes im Frühjahr 2004. Sie schlug den früheren Ministerpräsidenten Jean-Pierre Raffarin und gilt seither als Galionsfigur der "sozialistischen Erneuerung". Fast immer in Weiß gekleidet, reist sie durch Frankreich und spricht über demokratische Mitbestimmung. Als weiße Maus vermag sie die Elefanten ins Bockshorn zu jagen und viele Wählerinnen zu verführen, die am Typus des traditionellen Politikers keinen Gefallen finden.

Am 16. November werden die Sozialisten ihren Präsidentschaftskandidaten küren. Entscheiden sie sich gegen Royal, haben sie die Wahl im Frühjahr schon verloren. Entscheiden sie sich für Royal, riskieren sie stramm linke Wähler an Kommunisten oder Trotzkisten zu verlieren. Es wird also spannend.


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