© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/06 06. Oktober 2006

Disziplin und Ganztagsschule
Der gestrenge Bueb
Ellen Kositza

Werden eigentlich noch Bücher geschrieben, die progressive Thesen zu unseren drängenden gesellschaftlichen Sorgen vertreten? Falls doch - in irgendwelchen Verkaufsranglisten oder Debatten tauchen sie nicht auf. Ob Familie, Feminismus oder Erziehung: konservative Wortmeldungen liegen im Trend.

In all jene "Zurück zu ..."-Rufe reiht sich Bernhard Buebs Streitschrift hervorragend ein. Die Bild-Zeitung hat das sofort begriffen und aus dem Buch eine Serie gemacht. "Das ist Deutschlands strengster Lehrer", heißt es drastisch unter dem Foto des 67jährigen Bueb, der 2005 nach 31 Jahren die Leitung der Internatsschule Schloß Salem am Bodensee abgegeben hat. Mit eiserner Hand hat er seine Schüler nicht immer geführt. So manchem werden noch die Drogenskandale vergangener Zeiten in Erinnerung sein. Bueb hat seine Lehren gezogen - heute lassen ihn seine Erfahrungen das Hohelied auf die preußischste aller Tugenden singen, die Disziplin.

Es sei der lange Atem Hitlers, sagt Bueb, daß Deutschland heute das einzige Volk sei, das dem kollektiven Irrtum erlegen ist, daß man ohne Disziplin erziehen könne. Bueb spricht über die Notwendigkeit von Unterordnung, Autorität, Verzicht, gar von Strafen. Er tut dies kenntnisreich, unterfüttert von Beispielen aus seiner Schulzeit. Das macht sein Buch zu einer lohnenden Lektüre.

Einspruch verdient Buebs Plädoyer für die verpflichtende Ganztagsschule sowie für eine Krippenerziehung. Hatte der Autor nicht eben noch ein ganzes Kapitel "Alle Macht den Eltern" überschrieben? Hat er nicht gerade festgestellt, daß unser Erziehungsnotstand aus dem Zeitmangel der Eltern resultiere? Stellte er nicht der heutigen Schulpädagogik ein verheerendes Zeugnis aus?

Und dennoch Ganztagsschulen also: um Migrantenkinder besser zu integrieren, um "das Recht der Frauen auf Arbeit" durchzusetzen. Dieses Kapitel mit rundum fragwürdigen Positionen (Schule als "attraktiver Ort der Begegnung", "Alle müssen Mut (!) haben, dem Spielen viel Zeit einzuräumen") steht dem Buch schlecht zu Gesicht. Statt einer glatten Eins kommt so leider nur eine knappe Zwei heraus, Herr Bueb.

Bernhard Bueb: Lob der Disziplin. Eine Streitschrift. List Verlag, Berlin 2006, gebunden, 160 Seiten, 18 Euro


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