© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/06 06. Oktober 2006

Die wichtigste Arbeit des gesellschaftlichen Lebens überhaupt
Catharina Aanderuds Plädoyer für eine Wertschätzung der Hausfrauenarbeit verdient mindestens dieselbe Beachtung wie Hermans Feminismusschelte
Anni Mursula

Kinder sind momentan das große Thema in Deutschland. Im vergangenen Jahr erschienen zahlreiche Bücher zum demographischen Wandel und den fehlenden Kindern in unserer Gesellschaft, wurde über das neue Gesetz zum Elterngeld entschieden und über ein Familiensplitting anstelle des Ehegattensplitting diskutiert.

Daß den Deutschen in Zukunft möglicherweise ein Minderheitendasein im eigenen Land droht, war vor wenigen Jahren noch ein Tabu. Heute ist das längst kein Geheimnis mehr, sondern wird offen von Staatsseite zugegeben: Erst vor wenigen Wochen tat dies die Bundesbeauftragte für Integration Maria Böhmer zu Beginn einer Vortragsreihe.

Neue Kinder braucht das Land also, darüber scheinen alle einig zu sein. Aber wer soll sich um sie kümmern? Durch die Blume ließ die Bundesregierung die Frauen wissen, daß sie möglichst schnell nach einer Geburt wieder arbeiten sollen. Schließlich koppelten sie das ab 2007 in Kraft tretende Elterngeld an die Erwerbstätigkeit. Dafür sollten mehr Kindergartenplätze geschaffen werden und am besten Ganztagsschulen eingeführt werden. Außerdem sollte den Eltern Geld bezahlt werden, damit sie sich überhaupt leisten können, ihre Kinder abzugeben. Das müsse der Staat schon leisten, um die verschwendete Arbeitskraft der gutausgebildeten Hausfrauen ausschöpfen zu können. Diese Verschwendung koste den Staat schließlich viel Geld.

Der allgemeine Tenor in der Gesellschaft ist gegen Hausfrauen - nicht zuletzt, weil sie den Staat soviel kosteten. In Wirklichkeit aber geht es nicht um Geld: Der Staat verliert nämlich Geld so oder so. Entweder durch die ausge-bliebenen Steuereinnahmen der daheimgebliebenen Frauen, oder er zahlt Milliarden für die nötigen Infrastrukturen für Kinderbetreuung, wenn die Mütter arbeiten gehen. Die wirkliche Frage ist also nicht so sehr, was mehr kostet, sondern eine viel grundlegendere: welche Werte die Gesellschaft insgesamt fördern will. Diese Frage stellt sich auch Catharina Aanderud in ihrem neuen Buch "Schatz, wie war dein Tag auf dem Sofa? Hausfrau - die unterschätzte Familien-Managerin".

Die öffentliche Diskussion beklagt die Millionen von Frauen "im besten Erwerbsalter", die in Deutschland zu Hause bleiben. Sie werden in den Medien und der Wissenschaft als Opfer der hiesigen unemanzipierten Gesellschaft dargestellt, womit sie nebenbei übrigens genauso bevormundet werden - als ob sie selber nicht in der Lage wären, diese Entscheidung zu treffen. Denn viele dieser Frauen wollten daheim bleiben und Hausfrau werden, weil sie ihren Kindern etwas anbieten wollten, was niemand anderes als die Mutter anbieten könne, und weil sie sich die ersten Jahre ihres Kindes nicht entgehen lassen möchten, schreibt Aanderud.

Für sie leisten die Hausfrauen die wichtigste Arbeit des gesellschaftlichen Lebens überhaupt: Sozialisation und Wertevermittlung - ohne die eine Gesellschaft gar nicht funktionieren könnte. Aanderud spricht in ihrem Buch sogar von der grundlegenden Weitervermittlung von Kultur, die von der Hausfrau und Mutter geleistet wird. Denn sie sei schließlich diejenige, die alte Traditionen der Konsumgesellschaft entgegenhalte. Damit hat Aanderud recht, denn fast immer ist es die Mutter, die altbewährte Rezepte kocht, zu Weihnachten Plätzchen bäckt oder ihren Kindern alte Lieder singt und ihnen Sagen und Märchen vorliest. Diese bilden später die Basis für das kulturelle Allgemeinwissen - ja, das Bewußtsein für die kulturelle Besonderheit einer Nation.

Die Frage sei eben, ob solche Werte von einer Gesellschaft als wichtig empfunden werden. Und nicht nur das, sondern ob die Arbeit, die die Hausfrau leistet, insgesamt geschätzt wird. Laut Aanderud ist das nicht der Fall. Weil ihre Arbeit unentgeltlich geleistet wird, gelte sie nicht als echte Arbeit. Teile man jedoch die Arbeit einer Hausfrau und Mutter in die verschiedenen Dienstleistungen auf, die sie tatsächlich erbringe: Erzieherin, Pädagogin, Managerin, Köchin, Bäckerin, Reinigungsdienst, Putzfrau, Chauffeurin, so bekomme man schnell eine Ahnung davon, was ihre Arbeit auch in Geld wert sei. Schlimm genug, daß es einem erst so bewußt werde, schreibt sie.

Aanderud, die vor ihrer Entscheidung, daheim bei ihrem Kind zu bleiben, als Psychologin und Journalistin tätig war, beschreibt den Alltag einer Hausfrau als belohnend, aber auch als anstrengend, frustrierend und deprimierend. Allerdings hänge das von der Frau selbst ab. Denn ihre Arbeit sei oft unsichtbar, da sie den Haushalt "nur" am Laufen halte. Weil sie nichts Sichtbares produziere, erhalte sie dafür auch oft kein Lob. In ihrem Buch setzt sich die Autorin mit den Problemen einer Hausfrau glaubhaft auseinander und sucht Lösungen. Außerdem fordert sie die Gesellschaft auf, endlich diese Arbeit auch zu würdigen. Sie spricht dabei auch ein mögliches "Hausfrauengehalt" an.

Obwohl Aanderuds Buch vor Eva Hermans "Das Eva-Prinzip" erschienen ist, gelang es ihr nicht, eine solche mediale Lawine auszulösen. Der Grund liegt laut der Autorin im Unterschied ihrer Personen: Im Gegensatz zu ihr sei Eva Herman in der Öffentlichkeit bekannt. Inhaltlich dagegen sei ihr eigenes Buch besser fundiert und glaubhafter - sogar so glaubhaft, daß Herman in ihren öffentlichen Auftritten "ungeniert" Thesen daraus zitiere. Diese wider-sprächen aber in Wirklichkeit Hermans eigenem Buch, schreibt Aanderud in einer Stellungnahme. Außerdem behauptet sie, ihr Buch sei überzeugender, weil Herman verlange, daß Frauen "geben, ohne Anspruch auf Bezahlung". Sie dagegen plädiere für eine echte Anerkennung und Entgeltung der hausfraulichen Arbeit.

Catharina Aanderud: Schatz, wie war dein Tag auf dem Sofa? Hausfrau - die unterschätzte Familien-Managerin. Kösel Verlag, München 2006, broschiert, 223 Seiten, 14,95 Euro


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