© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/06 29. September 2006

"Wir sind wieder im Aufschwung"
Der neue FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über den Wandel seiner Partei nach Haider und die Nationalratswahl am Sonntag
Jörg Fischer

Herr Strache, die FPÖ, die 1999 bei der spektakulären Wahl zum Nationalrat, dem österreichischen Parlament, noch fast 27 Prozent holte, mußte seitdem einen fast beispiellosen Absturz erleben. Für die Wahl am Sonntag werden ihr kaum mehr als acht Prozent zugetraut. Sind die Freiheitlichen damit am Ende?

Strache: Davon, daß wir am Ende wären, kann aber wirklich keine Rede sein. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir liegen in aktuellen Umfragen kurz vor der Nationalratswahl bereits bei zehn Prozent und damit gleichauf mit den Grünen. Wir haben den Abwärtstrend seit 2000 bereits bei der Wiener Landtagswahl 2005 klar stoppen können und haben dort rund 15 Prozent erreicht. Die FPÖ befindet sich im Aufschwung. Und das ist gut für Österreich.

Bei den Wahlen in Wien konnten Sie zwar 15 Prozent einfahren - doch in der Steiermark kamen 2005 weder FPÖ noch Haiders Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) in den Landtag. Die Protestwähler liefen zur KPÖ über, die mit 6,3 Prozent erstmals seit 1970 wieder im Landtag sitzt. Bei den Nationalratswahlen scheint nun der linke EU-Kritiker Hans-Peter Martin (HPM) die "Proteststimmen" auf sich zu ziehen.

Strache: Der Ex-Sozialist Hans-Peter Martin ist für Protestwähler gar keine Alternative mehr, da er in den Umfragen bereits unter vier Prozent liegt und die Bevölkerung sein durchsichtiges Spiel ebenfalls durchschaut hat. Die FPÖ ist derzeit in Österreich die einzige wirkliche Alternative zu dem "Einheitsbrei" der anderen Parteien, die sich nur mehr durch ihre Namen voneinander unterscheiden, aber nicht durch ihre Inhalte. Das beweisen auch die Meinungsumfragen, in denen wir jede Woche zulegen.

Sollte Martin ins Parlament kommen, könnte es für eine "Madagaskar-Koalition" aus SPÖ, Grünen und HPM, dessen politische Farbe Weiß ist, reichen. Auch Schwarz-Grün oder eine Große Koalition wie in Berlin sind denkbar. Die FPÖ ist in allen Konstellationen außen vor. Wird die FPÖ überhaupt noch gebraucht?

Strache: Gerade in diesen Szenarien wird die FPÖ mehr gebraucht als je zuvor: Wir sind die einzige Kontrollpartei, die nicht auf der Seite der Mächtigen steht. Während die Programme von ÖVP, SPÖ und den Grünen völlig austauschbar geworden sind, bieten wir ein Programm an, das die Österreicher in den Mittelpunkt stellt. Wir sind die einzige Partei, die klipp und klar sagt: Österreich zuerst! Wir sind unserer Heimat verpflichtet, während alle anderen Parteien nur Erfüllungsgehilfen Brüssels sind.

Was wäre Ihnen lieber: ein ÖVP-Kanzler Schüssel bzw. Erwin Pröll, de derzeitige Landeshauptmann von Niederösterreich, oder ein SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer?

Strache: Weder noch. Wolfgang Schüssel und die ÖVP betrachten Österreich als ihr Privateigentum. So haben sie auch die letzten Jahre agiert. Diesem Denken und Verhalten muß ein energischer Riegel vorgeschoben werden. Dafür ist die FPÖ der einzige Garant. Und Gusenbauer? Wer seine schwache Performance im Wahlkampf und vor allem bei den Fernseh-Konfrontationen erlebt hat, weiß, daß er nicht das Zeug zum Kanzler hat. Gusenbauer ist in Wahrheit nur der verlängerte Arm Schüssels.

1999 war die FPÖ die stärkste "Arbeiterpartei" Österreichs. Doch Steuererhöhungen, Ambulanz- und Studiengebühr einerseits sowie der teure Kauf von Jagdflugzeugen (wofür eigentlich?) und diverse "Privilegien" und "Pöstchen" für verdiente FPÖ-Funktionäre ließen die "kleinen Leute" zu SPÖ oder ins Nichtwählerlager überlaufen. Wie wollen Sie die zurückgewinnen?

Strache: Indem wir als FPÖ wieder einen ehrlichen Kurs fahren und klar das aussprechen, was andere Parteien in Österreich längst aufgegeben haben, nämlich: Österreich zuerst! Österreicherinnen und Österreicher müssen in der Arbeitsmarktpolitik, bei Sozialleistungen, im Gesundheitsbereich, bei Pensionen und auch in der EU- und Außenpolitik wieder an erster Stelle stehen. Das ist unser politischer Auftrag.

Ein wichtiges blaues Wahlkampfthema war immer die Asyl- und Ausländerproblematik. Doch gerade unter Schwarz-Blau sind mehr Ausländer zugewandert und eingebürgert worden als unter jedem roten Innenminister zuvor.

Strache: Die Personen, die an diesem katastrophalen Vorgang mitgewirkt haben, befinden sich nicht mehr in der FPÖ. Wir stehen heute wieder für eine klare und restriktive Asyl- und Ausländerpolitik. Gerade das jüngste Beispiel Schweiz, wo am Sonntag in einer Volksabstimmung zwei Drittel für eine verschärfte Asylpolitik gestimmt haben, beweist auch, wie richtig wir mit unserer Haltung liegen. In unserem Wahlprogramm beziehen wir klar Stellung, nachzulesen für jeden!

Welche Lösung bieten Sie bei Thema Zuwanderung?

Strache: Wir sind nicht für ein bißchen Zuwanderungsbegrenzung, sondern für einen sofortigen Einwanderungsstopp für Österreich sowie auch auf Ebene der Europäischen Union. Wir sind außerdem für eine konsequente Bekämpfung jeglicher Tendenzen von radikalem Islamismus auf europäischer Ebene. Dazu gehört auch der von uns geforderte sofortige Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Die Türkei, die im Moment von erklärten Islamisten regiert wird, wäre ein Einfallstor für radikale Islamisten nach Österreich und Europa.

Außenpolitisches Ziel der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung war die Aufgabe der Neutralität. Inzwischen ist die FPÖ ihr lautstärkster Verteidiger - warum?

Strache: Momentan gibt es im Rahmen der geplanten EU-Verfassung Bestrebungen, die die Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten massiv einschränken würden. Für die FPÖ muß jedoch die volle Souveränität Österreichs gewahrt bleiben. Wir stehen zur Neutralität, die Österreich in der Vergangenheit immer gute Dienste geleistet hat. Wir wollen nicht, daß österreichische Soldaten auf fremden Kriegsschauplätzen Dienst leisten müssen. Österreichische Soldaten unter dem Kommando Brüssels - nein!

Hinters Licht geführt fühlten sich viele FPÖ-Wähler aber gerade beim Thema EU. Die Richtlinien aus Brüssel werden immer mehr und immer absurder, und die EU-Verfassung und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden unter Schwarz-Blau beschlossen!

Strache: Die EU-Verfassung wurde unter anderem mit den Stimmen der ÖVP und des BZÖ beschlossen, die FPÖ-Abgeordneten stimmten im Parlament jedoch gegen die EU-Verfassung, ebenso wie gegen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und gegen die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien. Heute wissen die Österreicher, daß die FPÖ die einzige EU-kritische Partei in unserem Land ist. Wir sind für ein föderatives Europa - und gegen den Zentralismus der Brüsseler Betonburgen. Wir befürworten ein Europa der Vaterländer - und sagen Nein zu den "United States of Europe".

2009 stehen Europawahlen an. Grüne und Linke haben schon jetzt erfolgreich EU-Allianzen geschmiedet. Die FPÖ hat Kontakte zum Vlaams Belang, dem Front National oder der Lega Nord. In Deutschland ist derzeit die "Rechtspartei" NPD erfolgreich. Wäre sie ein potentieller Europapartner für die FPÖ?

Strache: Die NPD ist für die FPÖ weder ein potentieller Europa- noch sonstiger Partner.

Außenpolitisch ist die FPÖ betont israel-kritisch und pro-arabisch. Innenpolitisch bekämpfen Sie die Ausbreitung des Islam in Europa - wie paßt das zusammen?

Strache: Unsere Außenpolitik ist nicht pro-arabisch, wir sind nur für eine Beibehaltung der traditionell freundlichen Beziehungen zwischen Österreich und den gemäßigten arabischen Staaten. Was allerdings auf keinen Fall toleriert werden kann, ist neben einer Massenzuwanderung aus islamischen Ländern die Ausbreitung eines aggressiven Islamismus in Europa. Wir bekennen uns zu einem Europa, das von Christentum und Aufklärung geprägt ist.

Die FPÖ Kärnten hat vorgeschlagen, jeder Schwangeren, die sich gegen eine Abtreibung und für ihr Kind entscheidet, 15.000 Euro Prämie zu zahlen. Auch wenn die österreichischen Finanzen weit solider als die bundesdeutschen sind - ist das überhaupt finanzierbar? Und lädt das nicht auch zum Mißbrauch ein?

Strache: Dieses Modell unserer Kärntner Freunde muß natürlich noch durchgerechnet werden. Die FPÖ befürwortet aber prinzipiell alle Maßnahmen, die "Ja zum Leben" sagen. Allerdings muß die Entscheidung der betroffenen Frau überlassen werden. Tendenzen, einen Schwangerschaftsabbruch wieder unter Strafe zu stellen, erteile ich eine klare Absage. Der Staat muß allerdings Rahmenbedingungen schaffen, um Kinder wieder attraktiv zu machen und eine finanzielle Entlastung der Familien zu garantieren, etwa durch das Steuermodell des Familiensplitting, also einer Besteuerung je nach Anzahl der Kinder, oder durch das Kinderbetreuungsgeld, das aber nur österreichische Staatsbürger erhalten sollen.

Die FPÖ kritisiert die vehemente Anpassung an den vermeintlichen Zeitgeist. Doch im Wahlkampf werben Sie ausgerechnet mit einem von Ihnen selbst gesungenen Rap-Titel (www.fpoe.at).

Strache: Rap ist heute eine Musikrichtung, die bei allen Jugendlichen beliebt ist. Mit dem soziokulturellen Hintergrund hat das nur mehr sehr wenig zu tun, wenn überhaupt. Das zeigt auch der Erfolg des "HC-Rap", der mittlerweile über 250.000 Mal heruntergeladen wurde. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an deutschsprachige Rap-Gruppen wie die Fantastischen Vier oder Jazzkantine.

Von Beginn an, schon seit dem 19. Jahrhundert, waren die Freiheitlichen - das sogenannte Dritte Lager - immer liberal-kirchenkritisch und großdeutsch-national. Unter der Führung Ewald Stadlers (Interview in JF 16/05) haben Sie jetzt einen dezidiert katholisch-konservativen Flügel. Wie paßt das zusammen?

Strache: Ich persönlich bin der Meinung, daß national und katholisch kein Widerspruch sein müssen. Beide, Ewald Stadler und ich, stehen für unsere Heimat Österreich ein.

In der Ersten Republik nach 1918 gab es zwei dezidiert großdeutsche Parteien in Österreich - Sozialisten und GdVP. Nach 1955 war die FPÖ die einzige. Was ist davon geblieben?

Strache: Für die FPÖ ist die deutsche Sprach- und Kulturgemeinschaft nach wie vor eine Konstante freiheitlicher Politik.

Können Sie sich eine "Wiedervereinigung" mit dem BZÖ oder eine Aufnahme von enttäuschten Funktionären nach der Wahl vorstellen?

Strache: Nein, unter meiner FPÖ-Führung gibt es dezidiert keine "Wiedervereinigung" mit dem BZÖ. Wir machen keine Geschäfte mit Herrschaften, die die freiheitlichen Ideale für das Linsengericht einer Regierungsbeteiligung über Bord geworfen haben. Überhaupt ist das Wort "Wiedervereinigung" grundsätzlich falsch. Am 4. April 2005 haben nämlich einige Leute ihren Austritt aus der FPÖ erklärt und eine neue Partei gegründet. Die FPÖ besteht nach wie vor und muß sich mit überhaupt niemandem "wiedervereinigen".

Sprechen Sie eigentlich noch mit Jörg Haider? Was bleibt von dem einstigen Hoffnungsträger Österreichs und der "Euro-Rechten"?

Strache: Nein, ich habe keinerlei Kontakt mehr zu ihm. Ich bezeichne es allerdings als sehr schade, daß Haider sein gesamtes Werk, das er von 1986 bis 2000 für die FPÖ vollbracht hat, zugrunde richtete. Was bleiben wird, ist sicher, daß Haider die politische Landschaft Österreichs entscheidend mitgeprägt hat. Inzwischen jedoch hat er sich in die politische Bedeutungslosigkeit verabschiedet, da niemand seine ständigen Meinungswechsel mehr ernst nimmt. Haider war auf dem richtigen Weg, hat die FPÖ und Österreich aber dann verraten und verkauft. Jörg Haider hat die richtigen Fragen gestellt, aber letztlich leider die falschen Antworten gegeben.

 

Heinz-Christian Strache - genannt "HC" - ist seit Ende April 2005 Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs und deren Spitzenkandidat in der Parlamentswahl am kommenden Sonntag. Anfang April 2005 hatten Jörg Haider, seine Schwester und damalige FPÖ-Chefin Ursula Haubner sowie die freiheitlichen Minister der schwarz-blauen Koalition ihren Austritt aus der Partei erklärt, um wenig später das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) zu gründen. Der gelernte Zahntechniker und Unternehmer Strache, geboren 1969 in Wien, war vor der Übernahme des Postens als Bundesparteiobmann bereits Klubobmann, also Fraktionschef, und stellvertretender Landesparteiobmann, also Vize-Landesvorsitzender, der FPÖ in seiner Vaterstadt. Weitere Informationen im Internet unter www.fpoe.at

 

weitere Interview-Partner der JF


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen