© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

Frisch gepresst

Bonner Mediziner. Nach der auf Einzelporträts beschränkten, von Mathias Schmoeckel herausgegebenen Aufsatzsammlung über die Bonner Juristen in der NS-Zeit (JF 39/04) präsentiert Ralf Forsbach im Einmannunternehmen eine voluminöse "Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn im Dritten Reich" (Oldenbourg Verlag, München 2006, 766 Seiten, gebunden, 49,80 Euro). Als wissenschaftshistorischer Beitrag zur Erforschung der Institution Fakultät ist Forsbachs Arbeit sicherlich in einer Hinsicht erschöpfend zu nennen: in der Verwertung personalbezogener Akten. Man bekommt, neben detaillierten Angaben zur "Mittäterschaft" an "Medizinverbrechen", Einsicht in Berufungs- und Besetzungsentscheidungen mit allen intriganten Beigaben, mit allen individuellen Noten der "Verstrickung", wie man das Juristen oder Philologen nur zu oft in den Schatten stellende NS-Engagement der "Götter in Weiß" standesüblich lange genannt hat. Was bei Forsbach aber eindeutig zu kurz kommt, ist einerseits die ideologische Disposition, das professionelle Faible für den "gesunden Volkskörper", das etwa für rassenhygienische Gesellschaftsformen nach NS-Muster früh anfällig machte, und andererseits eine genaue Beschäftigung mit der Geschichte der medizinischen Disziplinen von der Chirurgie bis zur Psychiatrie. Läßt sich, um nur einen Fall herauszugreifen, wirklich nicht mehr über den Hygieniker Hugo Selter als Wissenschaftler sagen, als daß er "regimetreu" gewesen sei?

Gerechtes Töten. Passend zum Jahrestag von "9/11" wirft der in Oxford forschende Philosoph Uwe Steinhoff vor dem Hintergrund des "Kampfes gegen den Terror", den George W. Bush praktischerweise gleich auf eine ganze "Achse der Bösen" ausgedehnt hat, die stets aktuelle Frage nach der Rechtmäßigkeit des Tötens im asymmetrischen Krieg auf, wie sie sich derzeit im Irak, Afganistan oder dem Gazastreifen stellt. Eine Beantwortung natürlich schuldig bleibend, gibt Steinhoff immerhin gedankliche Anstöße, nach denen man im zunehmend "unkombattanter" werdenden Kriegszeitalter unserer Tage dürstet. Sogar die Frage nach der Ethik des Terrorismus spart er nicht aus - andeutend, daß manch erfolgreiche "Terrorist" später zum Freischärler oder Volkshelden verklärt wurde (Moralisch korrektes Töten. Zur Ethik des Krieges und des Terrorismus. Melzer Verlag, Neu Isenburg 2006, broschiert, 208 Seiten, 14,95 Euro).


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen