© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/06 08. September 2006

Schlesisches Testament
Herbert Hupkas Werk
Michael Hofer

Herbert Hupkas "Schlesien lebt" ist nun zu seinem publizistischen Testament geworden. Sein letztes Buch zieht die Summe eines Lebenswerks, das sich über mehr als vierzig Jahre erstreckt. Eine schöne und verdiente Fügung ist dabei, daß die lange Reihe der von ihm verfaßten und herausgegebenen Erinnerungsbücher mit einem optimistischen Titel abschließt.

In 42 dichten, kurzweiligen Kapiteln beleuchtet der letzte Woche Verstorbene ausführlich die historischen und politischen Dimensionen des Themas. Wer sich mit der Materie schnell und fundiert vertraut machen will, findet in "Schlesien lebt" eine ideale Einführung. Hupkas unbestechliches Anschreiben gegen Klitterungen und Irrtümer hat ihm den bundesdeutschen Ehrentitel eines "umstrittenen" Autors eingebracht. Die Staatsraison, "der Zweite Weltkrieg ist durch den Größenwahn des deutschen Diktators und Tyrannen Adolf Hitler entfesselt worden", wird zwar von ihm akzeptiert, nicht aber die daraus abgeleiteten Relativierungen - Verbrechen gegen die Menschenrechte sind unteilbar und auch nicht mit einer dümmlichen "Täter/Opfer"-Rhetorik zu rechtfertigen. Dem 8. Mai 1945 spricht er mindestens eine "Ambivalenz" von Befreiung und Untergang zu.

Aufgespießt werden unter anderem die anhaltende Verharmlosung der Vertreibung, die Fixierung der deutschen Medien auf (falsch ausgesprochene) Ortsnamen, Opportunisten des Bewältigungsdiskurses wie Günter Grass oder die verlogenen "Schönwetterberichte" über das deutsch-polnische Verhältnis, zuletzt unter Rau und Köhler. "Schlesien lebt" nach Hupka nicht nur in den Vertriebenen, sondern auch in den polnischen Schlesiern heute: Der einzigartige Genius loci dieser Region bringt immer noch einen spezifischen Menschenschlag hervor. Deutsche und Polen sind aufgerufen, eine schlesische Zukunft zu gestalten, die nur mit Hilfe der Erinnerung und des unbedingten Willens zur Wahrheit möglich sein wird. Dazu hat der streitbare Publizist weitaus mehr beigetragen als willfährige "Schönredner", und in diesem Sinne wird man auch in Zukunft getrost davon ausgehen können: "Hupka lebt!"

Foto: Herbert Hupka: Schlesien lebt. Offene Frage - Kritische Antworten. Mit einem Geleitwort von Christian Wulf. Langen Müller Verlag, München 2006, gebunden, 236 Seiten, 19,90 Euro


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