© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/06 01. September 2006

Nur Brei aus Baumrinde und Wasser
Afrika: Die aktuellen Hungerkatastrophen sind auch eine Folge des Klimawandels und des zunehmenden Wassermangels
Martina Zippe

Kürzlich trafen sich in Stockholm 800 Experten aus über 100 Ländern zur Weltwasserwoche. Unter dem Motto "Wassersicherheit im 21. Jahrhundert - innovative Ideen" wurde über die Wasserproblematik in bezug auf Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Industrialisierung diskutiert. Ein Thema war dabei auch Afrika, denn der schwarze Kontinent hat eine rasch wachsende Bevölkerung - und in vielen Regionen schon heute einen eklatanten Mangel an Süßwasser. Einige Länder sind akut von existenzieller Not betroffen.

In Kenia beispielsweise blieb in den vergangenen drei Jahren fast jeglicher Niederschlag aus. Rund 70 Prozent des Viehbestandes verendete wegen Wassermangels. Inzwischen füttert man die hungernden Kinder mit einem Brei aus Baumrinde und Wasser, für den die Mütter jeden Tag sieben Stunden lang durch die sengende Hitze laufen müssen. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle Trinkwasserquellen versiegt, beklagt die Hilfsorganisation Welt Kinder Fonds in Frankfurt/Main. Mehr als zwei Millionen Kenianer leiden unter Hunger, die Hälfte davon sind Kinder.

Immer mehr Kämpfe um Land- und Wassernutzung

Mehr als sieben Millionen Menschen werden noch in diesem Jahr Nahrungsmittelhilfe brauchen. Ausländische Hilfsorganisationen kritisieren, daß trotz der Nahrungsknappheit in den Lagerhäusern des fruchtbaren Westens von Kenia eine Million Säcke Mais verrotteten. Die kenianische Opposition warf der Regierung vor, ausländische Spendengelder für andere Zwecke zu nutzen. Im Februar mußten zahlreiche Regierungsmitglieder wegen des Vorwurfs der Korruption zurücktreten. Bei Kämpfen um Land- und Wassernutzung kam es in mehreren Regionen zu ethnischen Unruhen.

In Äthiopien kämpfen mehr als 100.000 Kinder mit dem Hungertod. Die Säuglingssterblichkeit beträgt 17,1 Prozent. Eine um 2,4 Prozent pro Jahr wachsende Bevölkerung, das immer häufigere Ausbleiben der dringend benötigten Regenfälle sowie die Wüstenausbreitung stellen Äthiopien zunehmend vor Versorgungsprobleme. Nur 1,7 Prozent des anbaufähigen Landes können derzeit bewässert werden, in vielen Regionen kommt es seit Jahren wegen Wassermangels zu Mißernten. Der Blaue Nil, der in Äthiopien entspringt, kann nur in geringem Maße genutzt werden, da die Nutzungsrechte seit 1929 zum großen Teil Ägypten zustehen. Schon 2005 verlangte Äthiopiens Regierungschef Legesse Meles Zenawi mehr Wassernutzungsrechte für sein Land - vergeblich.

Besonders arm dran ist das Land Niger. 40 Prozent der Säuglinge sind dort unterernährt. Die Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr beträgt 26,4 Prozent. 150.000 Kleinkinder sind derzeit akut vom Hungertod bedroht, so die Organisation Leben für Alle in Berlin. Der Fluß Niger, eine der wichtigsten Wasseradern in der afrikanischen Sahelzone, droht zunehmend auszutrocknen und zu versanden.

In der Hauptstadt Niamey war das Flußbett 1984 und 2003 fast völlig ausgetrocknet. Im August und September 2004 und 2005 führten anhaltende Dürre und eine Heuschreckenplage zu einer schweren Hungerkrise. Die Hälfte des Viehs verendete und ein Drittel der Bevölkerung war unterversorgt. Die internationale Hilfe kam zu spät in Gang. In diesem Jahr ist die Situation nach Angaben der nigerischen Botschaft etwas besser. Dem Land droht aber die Wüstenausbreitung, nicht zuletzt wegen der Waldabholzung zur Brennmaterialgewinnung.

Gewaltiger Flüchtlingsstrom schon jetzt absehbar

Zur schlimmsten humanitären Krise hat die Uno die Situation in der Region Darfur im Sudan erklärt (JF 28/06). Jeden Monat sterben dort 10.000 Menschen an Hunger oder Krankheiten. Aufgrund von Trockenheit ist die Dezemberernte verdorrt, das Vieh abgemagert oder zugrunde gegangen. Über zwei Millionen Flüchtlinge kehren zur Zeit in den südlichen Sudan zurück. Es wird ein enormer Ansturm auf die wenigen noch funktionierenden Brunnen erwartet. Der fast zwei Jahrzehnte andauernde Bürgerkrieg zerstörte die Hälfte der Wasserpumpen im Süd des Landes.

Auch in anderen afrikanischen Staaten wird es in der Zukunft verstärkt Dürren geben, man rechnet mit Ernteverlusten von 20 bis 30 Prozent. Wenn ein Überleben nicht mehr möglich ist, ist ein gewaltiger Flüchtlingsstrom absehbar. Schon für 2010 rechnet die in Bonn sitzende United Nations University mit 50 Millionen Menschen, die deshalb ihre Heimat verlassen müssen.

Ursächlich für die Dürren ist insbesondere die Veränderung des Weltklimas. Dies zumindest ist nicht die Schuld der Afrikaner. Der menschengemachte Treibhauseffekt basiert maßgeblich auf dem hohen Kohlendioxid-Ausstoß in Industrie- und Schwellenländern (JF 30/06).

Die überkonfessionelle Hilfsorganisation Hoffnungszeichen e.V. engagiert sich für Niger und Sudan. Kontakt: Hoffnungszeichen, Kreuzensteinstraße 18, 78224 Singen, Telefon: 0 77 31 / 6 78 02, www.hoffnungszeichen.de  Spendenkonto: 3403029 bei der Sparkasse Singen-Radolfzell, BLZ 692 500 35


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen