© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/06 25. August 2006

Die publizistische Fünfte Kolonne
Pikanter Symposiumsbericht: Der Einfluß von SED und Stasi im westdeutschen Journalismus
Edgar Guhde

Zu den noch ungenügend erforschten und noch weniger medienwirksamen Fakten gehören Desinformationskampagnen und Einflußnahmen der SED auf das Meinungsbild in der Bundesrepublik, die Instrumentalisierung westdeutscher Journalisten und Publizisten sowie die Beschönigung der SED-Diktatur durch die westdeutsche Linke und ihre Mitläufer in den Medien. Immerhin liegen mit dem von der Mainzer Wissenschaftshistorikerin Änne Bäumer-Schleinkofer herausgegebenen Band die Referate des Symposiums "Die Westlinke und die DDR" vor, das im Mai 2005 an der dortigen Universität stattfand.

Bezeichnend schon für die Vorbereitung des Symposiums ist, daß namhafte angeschriebene Journalisten sowie involvierte Juristen aus dem Bereich der Westlinken an der Aufarbeitung dieses Themas kein Interesse zeigten. Vielmehr wurde sogar versucht, das Symposium durch Manipulationen, offene Angriffe, Verleumdungen, Druckausüben und ähnliches zu verhindern. Bestimmte Kreise wissen, warum sie sich diesem für die deutsch-deutsche Geschichte so wichtigen Sachverhalt nicht stellen möchten.

Berichtet wird, wie Linke im Westen verdeckt für das DDR-Fernsehen arbeiteten. "Kameraarbeit und Interviews kamen von westlichen Kollegen, Redaktion und Montage lagen in ostdeutscher Hand" - dem Propagandakonzept der SED entsprechend, dem westdeutsche Journalisten zuarbeiteten, "aufgefordert, die Notlage oder das Unglück anderer ausnutzend, um einer zunehmend unbeliebten und angeschlagenen DDR-Administration den Rücken zu stärken" und die Bundesrepublik auf dem Weg in den "Faschismus" darzustellen.

Die Zeitschrift Konkret beteiligte sich mit lancierten Desinformationsmaterialien der Stasi, die eine angebliche ABC-Waffenforschung in Westdeutschland belegen sollten. Weitere Beispiele wären die hier nicht erwähnte Andere Zeitung oder die operativen Anleitungen der KPD und DKP sowie deren Nebenorganisationen durch die Westabteilung des ZK der SED. Kontakte zwischen Roter Armee Fraktion und DDR bestanden bekanntlich schon Mitte der siebziger Jahre.

Zu dem Bild gehört auch, daß die akkreditierten Auslandskorrespondenten der DDR in den Nato-Staaten dem Spionageapparat der Stasi zuarbeiteten. "Wir haben die operativen Angriffe weitgehend nicht zur Kenntnis genommen, sondern ignoriert, ausgesessen", so Bundesanwalt Joachim Lampe.

Nachwirkungen dieser jahrzehntelangen Medienbeeinflussung sind bis heute wirksam, daher handelt es sich um ein fortwirkend aktuelles Thema. Tagespolitisch bleibt es brisant, ist doch "der Wille zu einer rückhaltlosen Aufarbeitung dieser Zusammenhänge weder in den politischen Lagern noch in der Öffentlichkeit vorhanden", wie Bundesanwalt Joachim Lampe in seinem Beitrag über die "Zusammenarbeit westdeutscher Journalisten mit dem MfS als strafbare Spionage" konstatiert: "Das Thema läßt sich nicht unter den Teppich der Geschichte kehren. Es wird uns einholen."

Der Band beweist, daß es noch etliches dieser für viele noch aktive - teilweise prominente -Journalisten pikanten Verstrickung zum SED-Regime aufzuarbeiten gibt, um ihr publizistisches Tun der politischen Öffentlichkeit bewußt zu machen.

Änne Bäumer-Schleinkofer (Hrsg.): Die Westlinke und die DDR. Journalismus, Rechtsprechung und der Einfluß der Stasi in der DDR und der BRD. Peter Lang Verlag, Frankfurt/Main 2005, broschiert, 133 Seiten, 16,80 Euro

Foto: ARD-Korrespondent Fritz Pleitgen 1979 in Ost-Berlin: Beabsichtigte Einflußnahme der SED auf das bundesdeutsche Meinungsbild


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen