© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Ein Nietzsche der Gegenaufklärung
Alexander Pschera befreit den katholischen Schriftsteller und Philosophen Léon Bloy aus der Vergessenheit
Georg Alois Oblinger

Vorab eine Warnung: Dieses Buch ist kein Buch über Léon Bloy. Léon Bloy ist ein vergessener Autor, in Deutschland ohnehin, aber auch in Frankreich. Über vergessene Autoren ein Buch zu schreiben, heißt, ihr Vergessensein nur noch betonen." So beginnt der promovierte Historiker Alexander Pschera das Vorwort seines Buches "Léon Bloy - Pilger des Absoluten". Was dann folgt, läßt erkennen, daß Pschera als Jünger-Kenner und Frankreich-Freund genau dieses Anliegen verfolgt, Bloy bekannt zu machen und für dessen Sichtweise der Welt zu werben.

Dazu benutzt Pschera eine besondere Strategie. Er stellt dem Leser Ernst Jünger (1895-1998) vor als einen Menschen mit einer besonderen Sichtweise der Wirklichkeit, die auch Gegensätze in sich vereint. Diese Sichtweise, die Jünger selber "stereoskopisch" nennt, legt Pschera auch seinen Lesern nahe. Als Beispiel für eine solche Sichtweise wird nun Jüngers Begeisterung für so konträr denkende Menschen wie Léon Bloy (1846-1917) und den etwa gleichaltrigen Deutschen Friedrich Nietzsche (1844-1900) angeführt. Ausführlich werden diese beiden Personen dann einander gegenübergestellt.

Ein philosophischer Blick auf das jeweilige Verständnis von Raum, Zeit und Geschichte läßt die Gegensätze beider Denker deutlich hervortreten. Dominiert bei Nietzsche die Höhe, aus der Zarathustra zu den Menschen herabsteigt, so schreien Bloys Protagonisten wie auch er selbst in seinen Tagebüchern aus der Tiefe ihres elenden Daseins auf zu Gott, von dem allein Hilfe kommen kann. Sieht Nietzsche in der Geschichte eine "ewige Wiederkehr des Gleichen", so kann Bloy ein Voranschreiten im Sinne einer von Gott gelenkten Heilsgeschichte erkennen. Gerade hierin war Jünger der Franzose eindeutig sympathischer. So konvertierte Ernst Jünger am 26. September 1996 zum katholischen Glauben.

Dennoch verblüfft immer wieder eine große Ähnlichkeit zwischen den Gedanken Nietzsches und Bloys. Kündete der Nihilist den "Tod Gottes", so spricht der traditionelle Katholik wiederholt von der "Abwesenheit Gottes". Im Elend, das Bloy selbst erfahren sowie in seinen Romanen und Briefen bildhaft beschrieben hat, ist die Gegenwart Gottes für den Menschen nicht mehr sichtbar und erfahrbar. Sinn entsteht für ihn erst im Mitleiden mit Christus, das damit auch zunehmend zum spirituellen Hauptgedanken seines Wirkens wird.

Zu seinen Lebzeiten blieb Léon Bloy der schriftstellerische Erfolg versagt. So hatte er kontinuierlich gegen Hunger und Armut zu kämpfen. Dazu kamen private Schicksalsschläge: Er bekehrte eine Prostituierte, die dann allerdings dem Wahn verfiel. Schließlich heiratete er eine Dänin, die er ebenfalls für den katholischen Glauben gewinnen konnte. Sie gebar ihm zwei Söhne, die beide nur wenige Monate alt wurden.

Bei allem Elend, das Bloy erlebte, war der Glaube der Kirche sein einziger Halt. Dieser war vor allem geprägt durch die Marienerscheinungen im französischen La Salette, welche in seinem Geburtsjahr stattfanden und in welchen die Gottesmutter die Lauheit der Christen tadelte und zur Umkehr aufrief. Auch Bloy fand harte Worte gegen die Sattheit eines verbürgerlichten Christentums. Nur ein entschieden gelebter Glaube vermag seine Kraft zu entfalten. Bloy selbst kam zum Glauben durch den Schriftsteller Jules Barbey d'Aurevilly, dessen Sekretär er zeitweilig war. Doch er selbst brachte ebenso zahlreiche Konvertiten hervor, zum Beispiel den späteren Begründer des Neuthomismus Jacques Maritain und dessen Frau Raissa. Er war eine der einflußreichsten Persönlichkeiten des "Renouveau catholique", jener gegenaufklärerischen Strömung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die die Absolutheit Gottes und seiner Gebote betonte und einen kompromißlosen Glauben forderte.

Bloy und Nietzsche sind wahrlich zwei Antipoden. Wie Pschera in seinem Buch herausstellt, wirkte letzterer in die Breite und ersterer in die Tiefe. Überspitzt formuliert er: "Nietzsche ist der bekannteste, Bloy der unbekannteste Augur des Eintritts unserer Welt in das, was wir 'Moderne' zu nennen uns angewöhnt haben."

Alexander Pschera hat mit seinem Buch nicht wie befürchtet die Vergessenheit Léon Bloys nur noch betont, sondern er hat auch für Jünger-Schüler und Interessierte einen Zugang geboten zum Denken eines kämpferischen Katholiken, welcher der modernen Welt viel zu sagen hat.

Bild: Léon Bloy um 1900: Harte Worte gegen die Sattheit eines verbürgerlichten Christentums

Alexander Pschera: Léon Bloy - Pilger des Absoluten. Edition Antaios, Schnellroda 2006, broschiert, 135 Seiten, 12 Euro


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