© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/06 18. August 2006

Silizium-Revolution
Solarenergie: Erstmals billiger als Kohle- und Atomstrom
Franz Alt

Sollte der Streit um das iranische Atomprogramm eskalieren, könnte sich der schon jetzt hohe Ölpreis nach Einschätzung von Experten verdreifachen. Wenn der Iran im Persischen Golf die Straße von Hormus blockiere, fielen 20 Prozent der weltweiten Erdöllieferungen aus, warnte letzte Woche das französische Ölinstitut IFP. Dann könnten die Preise kurzfristig die Marke von 250 Dollar pro Barrel erreichen. Die Zeiten billigen Öls seien aber auch ohne Krieg oder Orkane wie Rita und Katrina definitiv vorbei.

Ende vergangenen Monats war daher Solarstrom an der Leipziger Strombörse erstmals preiswerter als Atom-, Gas- oder Kohlestrom. Strom aus Windrädern war bereits im Februar 2006 erstmals billiger als konventioneller Strom. Kühlwasserprobleme einiger Atom- und Kohlekraftwerke sowie der durch die Sommerhitze gestiegene Strombedarf haben die Preise zeitweise explodieren lassen. In dieser Situation helfen die inzwischen 200.000 in Deutschland installierten Photovoltaikanlagen, die etwa so viel Strom wie zwei Atom- oder Braunkohlekraftwerke liefern, die Versorgungslücke zu schließen.

Während herkömmliche Kraftwerke im Hitzesommer in die Knie gehen, liefern Solarstromanlagen Spitzenwerte. Gleichzeitig wird Solarstrom schneller preiswert als bislang angenommen. Am 27. Juli kostete Spitzenlaststrom an der Leipziger Strombörse 54 Cent je Kilowattstunde, während Solarstrom mit 40 bis 51,8 Cent vergütet wird.

Die Vergütung für Solar- und Windstrom wird nach dem Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) pro Jahr um fünf Prozent reduziert, während Fachleute mit immer höheren Preisen für herkömmlichen Strom rechnen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und beschleunigen. Denn weltweit arbeiten Wissenschaftler an effizienteren Technologien für alternative Energieerzeugung. BP Solar hat ein neues Verfahren zur Kristallisation von Silizium entwickelt, das den Wirkungsgrad von Solarzellen und -Modulen in der Relation zu multikristallinem Silizium (Si) ab 2007 deutlich steigern soll.

Die City Solar AG in Bad Kreuznach kündigt gar eine "Revolution" in der Herstellung von Reinst-Silizium an. Der neue Prozeß zur Erzeugung von solarfähigem Silizium soll das teure und aufwändige "Siemens-Verfahren" bei der herkömmlichen Si-Produktion überwinden. Im bisherigen "Siemens-Prozeß" konnte nur ein Fünftel des verwendeten Silizium zur Produktion von Photovoltaikzellen benutzt werden. Vier Fünftel waren Abfall. City Solar will künftig mit seiner neuen Technologie den gesamten Abfall verwenden - und hat damit ein weit effizienteres und energiesparendes Verfahren entwickelt.

Dünnschichtsolarmodule sollen schon in drei bis fünf Jahren in Rollen wie Tapeten oder Zeitungspapier produziert werden. "Das wird ein Durchbruch, mit dessen Hilfe wir den Siliziummangel endgültig überwinden können", ist City-Solar-Chef Steffen Kammler überzeugt. Er und seine Wissenschaftler meinen, daß es sich künftig sogar lohnen werde, ihre Solarfolien in Richtung Norden anzubringen. Dieser revolutionäre Produktionsprozeß werde auch zu enormen Preisreduzierungen führen. Die Forscher gehen davon aus, daß mit ihrer Technik in zehn Jahren Photovoltaikstrom generell preisgünstiger als herkömmlicher Strom produziert werden kann.

Die erste Fabrik, in der das integrierte Silizium-Waferkonzept umgesetzt wird, soll noch im Jahr 2006 im Chemiepark Bitterfeld in Bau gehen. Das Produktionsziel ist 2.500 Tonnen solarfähiges Silizium pro Jahr. Weitere Fabriken sind geplant, langfristig sogar weltweit. In den Produktionsprozessen der Photovoltaik ist zurzeit viel Bewegung und Fortschritt zu erkennen - in den USA ebenso wie in Japan, in China und Taiwan genauso wie in Deutschland.

 

Dr. Franz Alt leitete 21 Jahre das ARD-Magazin "Report", danach präsentierte er bis 2003 das 3sat-Magazin "Grenzenlos". Er schrieb mehrere Bücher, darunter mit seiner Frau Brigitte: Die Sonne schickt uns keine Rechnung, Piper Verlag, München 2004, brosch., 206 Seiten, 9,90 Euro. Mehr im Internet: www.franzalt.de


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