© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

Die letzte Ehre erweisen
Regie: Budd Boetticher
Werner Olles

Über dreißig Filme hat Budd Boetticher inszeniert, darunter waren Abenteuerfilme, Thriller, Filme über den Stierkampf und Western. Von letzteren ist es vor allem ein Zyklus von sieben Filmen mit Randolph Scott, alle zwischen 1956 und 1960 gedreht, die den Kinozuschauern in Erinnerung geblieben sind.

Boettichers Western entstanden in Lone Pine in Kalifornien, einer kargen und steinigen Landschaft mit Labyrinthen von riesigen Felsen. Klassische Topoi des Verbrechens. Immer begannen die Filme gleich: Ein Mann reitet vom Horizont langsam auf den Betrachter zu. Allmählich erkennt man Randolph Scotts sehnige Gestalt, und schließlich ein Gesicht, in dem das Leben tiefe Furchen eingegraben hat. Lernen wir ihn näher kennen, sind wir beeindruckt von seiner Lakonie, doch hinter dem vorgeblichen Stoizismus, seiner Wortkargheit und hinter dem Typus des integren Einzelgängers verbergen sich fast immer Zeichen einer tiefen Verzweiflung.

Schon bald erfährt der Zuschauer, daß der Held in einer Rachemission unterwegs ist. Er muß die Männer finden und töten, die seine Frau ermordet haben, wie in "Einer gibt nicht auf", dem letzten Film des Zyklus. Der emotionale Anreiz für die Gewalt, die Rache, gibt dabei die äußere Richtschnur für die innere Orientierung.

Wenn schließlich der Showdown anbricht, liegt immer eine gewisse Tragik über den letzten Bildern. Mit den Feinden, die Scott getötet hat, stirbt auch der wichtigste Grund seiner Existenz. Wenn er hinter dem Felsen verschwindet und seine Gestalt sich allmählich am Horizont auflöst, bedeutet dies nicht nur das Ende des Films, sondern auch von Scotts Mission. Wenn ein Mann seine Aufgabe erledigt hat, zieht er weiter - das ist die unausgesprochene Botschaft.

Boettichers Western erklären uns, daß die elementarste Bedrohung für den Einzelnen immer von der Gemeinschaft ausgeht. In der Gesteinslandschaft von Lone Pine hat aber der Einzelne nur eine Chance, wenn er stärker ist als seine Feinde. Das Recht des Stärkeren aber kann nur durchgesetzt werden, wenn man weiß, daß es keinen Menschen gibt, der so schlecht ist, daß ihm nicht die letzte Ehre erwiesen werden sollte. So werden selbst die feindlichen Indianer, wenn der Kampf endlich vorüber ist, von Scott auf die Weise geehrt, daß er ihnen ihre gefallenen Stammesbrüder übergibt, oder zumindest dafür sorgt, daß die Toten anständig beerdigt werden.

Weil Boetticher, der ehemalige Boxer und Stierkämpfer, besser als andere um die Qualen der geschundenen Kreatur weiß, gilt dieser Respekt allen Lebewesen. In "Auf eigene Faust" gibt es eine Szene, da unterbricht Scott seinen Ritt, obwohl die Verfolger ihm bedrohlich nahe sind, um zunächst sein verletztes Pferd zu versorgen. In "Der Siebente ist dran" badet eine schöne junge Frau im Fluß, während Scott zärtlich und mit fürsorglicher Hingabe sein ermüdetes Pferd wäscht. Subtiler hat wohl noch niemand eine erotische Situation in einem Western angedeutet.

Budd Boetticher, am 29. Juli 1916 in Chikago geboren, war mit der Schauspielerin Debra Paget verheiratet. Am 29. November 2001 ist er im Alter von 85 Jahren in Lamona, Kalifornien, verstorben. 


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