© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Geschwätz
Karl Heinzen

Deutsche Arbeitnehmer verplempern, so eine Studie der Unternehmensberatung Proudfoot Consulting, im Jahr durchschnittlich 32,5 Arbeitstage mit nutzlosen Beschäftigungen. Dieses Phänomen ist nur zu einem geringen Teil auf mangelnde Arbeitsmoral, vielmehr jedoch auf Managementfehler zurückzuführen. Häufig erteilen Führungskräfte sich überschneidende Aufträge an mehrere Teamangehörige zugleich und verursachen damit unnötige Doppelarbeit. Sie bitten zu zahlreichen überflüssigen Besprechungen, legen zu wenig Gespür für eine Beschränkung der Verwaltungstätigkeit auf das notwendige Minimum an den Tag und lassen die Beschäftigten oft im Unklaren darüber, was eigentlich zu ihrem Aufgabenfeld gehört und welchen Zielvorgaben sie zu folgen haben.

Den Schaden für die deutsche Wirtschaft beziffert Proudfoot Consulting auf jährlich 170 Milliarden Euro und damit ganze acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Studie zufolge ließe er sich insbesondere durch eine Verbesserung des Führungsverhaltens reduzieren. Manager sollten sich, so die Empfehlung, grundsätzlich mehr Zeit nehmen, um "in den Betrieb" zu gehen und mit den Mitarbeitern zu sprechen. Warum ausgerechnet diese, die ja doch jeweils nur einen kleinen Ausschnitt des Ganzen wahrnehmen und beurteilen können, zu relevanten Anregungen in der Lage sein sollen, bleibt allerdings das Geheimnis der Unternehmensberater. Zu befürchten ist vielmehr, daß durch noch mehr Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Belegschaft die Zeitverschwendung weiter zunähme. Es wird ja bereits heute, wie die Studie dokumentiert, viel zu viel unproduktiv geredet - das Geschwätz sollte daher nicht auch noch als Führungsgrundsatz geadelt werden.

Wenn über vermeintliche Managementfehler gesprochen wird, gilt es zudem, keine unrealistischen Erwartungen zu hegen. Auch Unternehmensführer sind Menschen, ihre zeitlichen Ressourcen sind begrenzt, und sie müssen Details vernachlässigen, um die richtigen Prioritäten zu setzen. Es liegt nicht in ihrer Macht, die Mitarbeiter rund um die Uhr zu überwachen. Sie können diese allenfalls anhand ihrer Ergebnisse beurteilen und allgemein durch ein Wechselspiel von Einschüchterung und Anreizen die Arbeitsdisziplin heben. Die Aussichten, der Zeitverschwendung in den Betrieben tatsächlich Herr zu werden, sind daher gering. Der durch sie entstehende Schaden ließe sich jedoch einfach beheben: Man müßte nur die Löhne und Gehälter entsprechend kürzen. 


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