© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

"Je besser die Qualität, desto höher der Preis"
China: Menschenrechtsorganisationen berichten über illegalen Organhandel / Kommunistische Regierung weist Vorwürfe zurück
Bernd Christoph Ströhm

Was in Europa undenkbar wäre, steht Menschenrechtsorganisationen zufolge in China auf der Tagesordnung: Organentnahmen an unfreiwilligen Patienten, die oft der religiösen Bewegung Falun Gong angehören. Keiner überlebt angeblich solch eine Operation. Zwar forderte das EU-Parlament die kommunistische Regierung der Volksrepublik China auf, den illegalen Organhandel und die Verfolgungen der religiösen Minderheiten zu unterlassen, doch dort dementiert man bislang diese Anschuldigungen vehement.

Nun haben der internationale Menschenrechtsanwalt David Matas und David Kilgour, liberales Parlamentsmitglied von Kanada, einen Bericht über den illegalen Organhandel in China veröffentlicht. Per Gesetz ist zwar in China jeglicher Handel mit Organen seit Juli 2006 verboten, doch die Regierung halte sich nicht daran, behauptet Man-Yan Ng, Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Laut dem veröffentlichten Bericht von Kilgour und Matas verkaufe man die entnommenen Organe zu einem teuren Preis an Patienten aus dem Westen, die dort auf der Organwarteliste stehen.

Eine Bestätigung des Verdachts erhielten sie bei mehreren Telefonaten mit Ärzten aus chinesischen Krankenhäusern. Diese gaben unmißverständlich an, daß die "Spender" Falun-Gong-Mitglieder seien. David Kilgour befragte die Ex-Frau eines Arztes, der solche Operationen durchgeführt haben soll. Sie bestätigte, daß die Organentnahme an lebenden Menschen durchgeführt werde. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT erklärten Kilgour und Man-Yan Ng, daß die Falun-Gong-Anhänger wegen ihrer gesunden Lebenseinstellung beliebte Spender seien und deshalb dort hauptsächlich für Organentnahmen in Frage kommen - frei nach dem Motto "Je besser die Qualität, desto höher der Preis".

Eine Untersuchungskommission, geleitet von Kilgour und Matas, wollte nach China einreisen um die dortigen Krankenhäuser zu besichtigen, wo angeblich die illegalen Organoperationen stattfinden. Doch diese Untersuchung mußte abgebrochen werden, da sie keine Einreisegenehmigung von der Regierung erhalten hatten. Als Begründung veröffentlichte die chinesische Regierung eine Pressemitteilung. In dieser gibt sie an, nichts von diesen Vorfällen zu wissen, und daß die Untersuchungskommission selbst unter dem Einfluß der Falun Gong stehe.

EU-Parlament reagierte mit zwei Resolutionen

Kilgour versicherte der JF allerdings, daß die Untersuchung absolut unabhängig und von niemandem bezahlt worden sei. Jede Kundgebung oder Demonstration, die auf die Problematik der Falun-Gong-Verfolgung oder des Organhandels hinweise, werde von den Sicherheitskräften niedergeschlagen. Quasi von Geburt an werde der chinesischen Bevölkerung eingeimpft, daß alle, die an etwas anderes als die "Große Partei" glauben, Staatsfeinde seien, meint Man-Yan Ng, der die deutsche Falun Dafa leitet. Die Falun Gong wurde 1992 von Li Hongzhi in China gegründet. Sie wurde von der Kommunistischen Partei 1999 zur "manipulierenden Sekte" erklärt und verboten.

Tatsache ist allerdings, daß nie Leichen von Falun-Gong-Mitgliedern gefunden worden sind. Dennoch gibt es ständig neue Berichte von verschwundenen Mitgliedern. Kilgour hat aus einem Interview von einer Zeugin die Information, daß Falun-Gong-Mitglieder in "Arbeitslager" deportiert werden. Dort würden sie medizinisch untersucht und auf die Organentnahme vorbereitet, nach der "Operation" werden die Körper angeblich verbrannt. Das würde erklären, warum nie Leichen gefunden worden sind, meint Kilgour.

Das EU-Parlament reagierte bereits mit zwei Resolutionen gegen China, doch Man-Yan Ng und Kilgour sind sich sicher, daß Resolutionen aus Straßburg alleine nicht ausreichen. Die EU-Mitgliedstaaten müßten sich einig sein und gemeinsam gegen die Verfolgungen und den illegalen Organhandel in China einschreiten. Wie das konkret geschehen soll, ist offen - und die Nachfrage nach Transplantationsorganen steigt - nicht nur in Europa.


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