© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

Mehr Wettbewerb
Studiengebühren: Soziale und bildungsökonomische Notwendigkeit
Bernd-Thomas Ramb

Wenn es noch eines abschließenden Beweises für die Notwendigkeit von Studiengebühren bedurfte, die protestierenden Studenten haben ihn erbracht. Schienen und Straßen wurden blockiert, Auto-, und Bus- und Bahnfahrer zur Weißglut getrieben, letzte Sympathien radikal ausgemerzt. Das hat nicht nur die breite außerparlamentarische Zustimmung zu den entsprechenden Gesetzen gefördert, sondern auch die Einsicht, wer so unintelligent agiert, sollte wirklich nicht zum Studium zugelassen werden. Hätten die studentischen Protestler, die mit Sprüchen wie "Studienmöglichkeiten auch für Arme" den sozialen Nerv der Öffentlichkeit zu treffen vermeinten, mit der ihnen attestierten Hochschulreife das Problem gründlich analysiert, müßten sie - mit den textlich unveränderten Plakaten - für die Einführung von Studiengebühren demonstrieren.

Die Protestierer waren also offensichtlich unintelligent und vorgeblich arm. Letzteres ist aber kein Hinderungsgrund für ein Studium unter Studiengebühren. Diese können als Darlehen aufgenommen und nach Studienabschluß vom dann erzielten, in der Regel überdurchschnittlich hohen Gehalt zurückgezahlt werden. Reiche Studenten, genauer Studenten mit reichen Eltern, die ihr Studium ebenfalls erfolgreich absolvieren, erfahren durch die neue Regelung keinen Vorteil gegenüber ihren ärmeren Mitstudenten, aber auch keinen Nachteil. Sollte das die Demonstranten stören? Erfreulich - aus der Sicht der Vermögensneider - sollte sein, daß reiche und unintelligente Studenten, die in der Regel ihr Studium nicht erfolgreich absolvieren, dann kräftig dafür berappen müßten.

Arme, studiumsungeeignete, aber trotzdem studierende Studenten sind finanziell am härtesten betroffen. Verschuldeten Studienabbrechern dürfte die Tilgung besonders schwerfallen. Andererseits beschleunigt das Studiengeld die zeitige Einsicht, den falschen Bildungsweg gewählt zu haben. Die gebührenfreie Alternative, nach einem ausgiebigen Langzeitstudium den Abschluß nicht zu schaffen, kommt den betroffenen Kreis wesentlich teurer zu stehen. Die eigentliche Problemgruppe stellen die armen, aber studiumsgeeigneten Studenten dar, die eine Kreditaufnahme scheuen und das Studium meiden. Allerdings erfordert auch diese Entscheidung eine intelligente Wagnisabwägung.

Die Vorteile der Studiengebühren lassen sich aber nicht nur an reich und arm sowie studiumsgeeignet und nicht geeignet spezifizieren. Das alte Argument, warum nichtakademische Mitglieder der Gesellschaft den späteren Einkommensreichtum der anderen mitfinanzieren sollen, bliebe solide bestehen. Das unverwüstliche Schlagwort vom "Recht auf freie Bildung" ist genauso berechtigt und töricht wie ein Recht auf Freibier, das Weintrinker und Antialkoholiker mitfinanzieren sollen. Dann müßte konsequenterweise auch das Abitur als Voraussetzung zum Studium abgeschafft werden. Das aber wäre noch mehr ein Argument für die Einführung von Studiengebühren.

Im Umkehrschluß nährt die erst jetzt erfolgende Erhebung die Vermutung, daß die Studiengebühr auch eine Fehlentwicklung der letzten Jahrzehnte korrigieren soll. Sie führte an den Universitäten zu einer Invasion von Studenten, die trotz schulisch bestätigter Hochschulreife für ein Studium doch nicht geeignet sind. 26 Prozent der Studenten brechen ihr Studium ohne Abschluß ab. In den Wirtschaftswissenschaften und vielen naturwissenschaftlich-technischen Fächer betrifft dies sogar jeden dritten Studenten. Da werden nicht nur persönliche Lebensläufe gebrochen, sondern auch ungeheure Ausbildungskapazitäten vergeudet. Wenn Studiengebühren helfen, diese Zahlen drastisch zu reduzieren, hätten sie bereits schon damit einen enormen sozialpolitischen Bonus erzielt und gleichzeitig die Effizienz der Bildungsausgaben gesteigert.

Dieser Effekt könnte zudem zu einer dringend benötigten Qualitätsverbesserung der universitären Ausbildung führen. Andererseits dürfen die Studiengebühren deshalb nicht einfach als zusätzliche Steuereinnahmen - gleichsam als getarnte Reichensteuer - verbucht werden. Die Universitäten müssen an den von ihren Studenten erbrachten Studiengebühren beteiligt werden. Dabei sollte ihnen sogar die Möglichkeit gegeben werden, bei begabten und bedürftigen Studenten ihrerseits auf die Erhebung der Gebühren zu verzichten. Auf diese Weise wäre dem Qualitätswettbewerb der Hochschulen eine weitere Chance eröffnet. Andererseits erhielten die Studenten mit ihrer Gebührenzahlung nunmehr ein Anrecht auf ein qualifiziertes Studium. Professorale Dünnbrettbohrerei, räumliche Unzulänglichkeiten und überfüllte Seminare sollten künftig dem Recht auf Abmahnung seitens der Studenten unterliegen.

Wahl und Wechsel des Studienortes richten sich dann nach optimalen akademischen Preis-Leistungs-Verhältnissen. Die Politiker, die bislang meinen, mit der Einführung von Studiengebühren bloß eine leichte Steuerzusatzbeute zu erzielen, werden sich sehr bald verwundert die Augen reiben, welche universitäre Wettbewerbslawine sie damit losgetreten haben.


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