© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

Heuchelei
von Klaus Peter Krause

Mit schneller Umentscheidung hat sich Norbert Röttgen (CDU) der Kritik an seiner beruflichen Planung gebeugt. Dabei ehrt es ihn, daß er nicht sein Mandat aufgibt, sondern das Amt des BDI-Hauptgeschäftsführers gar nicht erst antritt. Seine Wähler und Fraktionskollegen werden sich nicht beklagen können. Gerichtet hatte sich die Kritik gegen die von ihm vorgesehene "Doppelfunktion", nämlich Abgeordneter und Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion zu sein sowie zugleich als führender Vertreter eines wichtigen Interessenverbandes zu wirken. Damit entzieht er sich dem Vorwurf, in Konflikt zwischen Pflichten als Volksvertreter und Verbandsinteressen zu geraten - was aber nicht bedeutet, daß dieser mögliche Konflikt damit aus der Welt ist; er ist nur nicht mehr offenkundig.

Wohl also war seine Entscheidung aus persönlicher (Karriere) Sicht politisch geboten, aber war sie es auch sachlich? Das läßt sich bezweifeln. Der Verpflichtung, als Abgeordneter nur seinem Gewissen unterworfen zu sein, hätte Röttgen als gleichzeitiger Verbandsfunktionär ebenso unterlegen wie andere Parlamentarier, die ebenfalls wichtige Aufgaben in Verbänden und Interessengruppen wahrnehmen oder einem anderen Beruf nachgehen. Der Bundestag soll doch gerade ein Spiegelbild der Gesellschaft und der Berufe sein. Reine Berufspolitiker sitzen dort schon viel zu viele. Wie sehr und zu häufig selbst sie ihr Gewissen zugunsten anderer Interessen strapazieren, zeigt die Erfahrung. Die Kritik an Röttgen enthält viel Heuchelei.


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