© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31-32/06 28. Juli / 04. August 2006

Die vornehmste Pflicht
von Georg Pfeiffer

Angesichts der heutigen Mobilität, der offenen Grenzen und international operierender Verbrecherbanden leuchtet es unmittelbar ein, daß auch bei der Ergreifung eines Verdächtigen innerhalb Europas die Auslieferung an das zuständige Gericht mittels eines europäischen Haftbefehls zügig und möglichst störungsfrei erfolgen muß. Alle Staaten haben ein mehr oder minder rechtsstaatliches Strafverfahren, in keinem droht die Todesstrafe - also bitte, warum nicht?

Aber: Nicht auf diesem Weg! Das erforderliche Gesetz soll nicht eine Runde von Ministern erlassen, von denen manche gern mit einem Dampfreiniger gegen ihre Gegner vorgehen würden. Vielmehr soll es vom Parlament öffentlich beschlossen und verkündet werden - und zwar nach einer breiten Aussprache, in der Für und Wider eines solchen Gesetzes zur Sprache gekommen sind, in der auch die Opposition angehört wurde und in der auch jeder Abgeordnete und jede Fraktion sich frei entscheiden kann, ohne von einer übergeordneten Institution auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt zu sein. Weiterhin sollte dieses Gesetz Tatbestände haben, die klar und eindeutig sind, die jedermann verstehen kann. Und schließlich gibt es für jede Straftat eines Deutschen in Deutschland einen Richter, der zuständig wäre, ihn zu verurteilen. Vielleicht mag es Fälle geben, wo es recht und billig erscheint, einen Deutschen auch ans Ausland auszuliefern. Auf gar keinen Fall darf das die Regel sein, denn die erste und vornehmste Pflicht des Staates ist es, seine Bürger in jeder Lage zu beschützen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen