© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/06 14. Juli 2006

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Sachzwang
Karl Heinzen

Deutsche Soldaten sind auf dem Weg in den Kongo, um gemeinsam mit Kameraden aus 18 anderen europäischen Streitkräften dafür zu sorgen, daß die dortigen Verhältnisse vielleicht nicht stabiler, aber doch wenigstens auf eine demokratische Grundlage gestellt werden. Sollte ihre Präsenz dazu beitragen, daß man ihren Auftrag in irgendeiner Weise als erfüllt betrachten dürfte, so sind sie natürlich für weitere Missionen dieser Art prädestiniert.

Franz Josef Jung ist also kein Visionär, sondern ein kühler Realist, wenn er diesen Bedarf, der hier insbesondere auch auf Deutschland zukommen könnte, schon heute erkennt. Sogar ein nächstes mögliches Einsatzland, nämlich der Südsudan, zeichnet sich dabei für ihn ab. Die Vereinten Nationen haben ein entsprechendes Ersuchen bereits an die Nato gerichtet. Die Weigerung der sudanesischen Regierung, einen derartigen Einsatz des Bündnisses zuzulassen, muß man wohl nicht weiter ernstnehmen.

Weitere Einsatzgebiete, die in Frage kämen, sind unschwer auszumachen. Alleine Afrika bietet so viele bereits ausgebrochene oder noch schwelende Konflikte, daß eine Auslastung für europäische Soldaten über mehrere Generationen gewährleistet werden könnte. Da unsere Sicherheit aber nicht allein an Kongo oder Nil verteidigt werden muß, sondern im Prinzip weltweit, sollten hier andere Kontinente nicht aus dem Blick geraten. Ob Osttimor oder Südthailand, ob Fidschi oder Haiti, ob Myanmar oder Nepal - es ist so viel zu tun, und es spräche dem Prinzip einer gerechten Teilhabe an der Verantwortung für den Frieden hohn, wenn man alle Mühen immer nur den Amerikanern überließe.

Leider gibt es jedoch einen Sachzwang, der die Freude am lustvollen Phantasieren über zukünftige Einsätze der Bundeswehr etwas vergällt. Es ist viel zu wenig Geld da, um das, was man sich gerne vornähme, auch in die Tat umzusetzen. Eigentlich reichen die Mittel nicht einmal für das bereits laufende Engagement aus. Dieses Problem ließe sich aber dadurch lösen, daß die Bundeswehr ihre Einsätze nicht mehr selbst bezahlt, sondern deren Finanzierung jenen Institutionen aufbürdet, die ihre Unterstützung anfordern. Diese Methode ist nicht ungewöhnlich, manche Entwicklungsländer können überhaupt nur auf diese Weise ihr Militär unterhalten. Für Verteidigungsminister Jung käme dies einem Befreiungsschlag gleich: Er könnte zusätzliche Quellen für seinen Etat erschließen und hätte in der Nachfrage nach seinen Soldaten einen zuverlässigen Indikator für die Qualität der Truppe. 


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