© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/06 14. Juli 2006

Kriegslügen
Südosteuropa: Peter Handke irrt sich bei Dubrovnik gewaltig
Bernd Christoph Ströhm

Dubrovnik gelitten? Ich glaube nicht, daß dem so war", antwortete der Kärntner Schriftsteller Peter Handke vor zwei Wochen im Interview mit der kroatischen Zeitung Globus, das letzte Woche in Auszügen im Rheinischen Merkur nachgedruckt wurde. "Meiner Meinung nach wurde Dubrovnik nicht angegriffen, und falls doch, dann nicht im Zentrum, auch nicht in der Altstadt", so Handke weiter.

"Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer", wußte schon vor fast zweieinhalbtausend Jahren der griechische Dichter und Philosoph Aischylos. Daß Handke eine sehr eigenwillige Sicht des Balkankrieges (1991-1995) hat, ist nicht neu. Seine Affinität zum verstorbenen serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milošević ist bekannt. Seine Trauer über das Ende der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) teilt er nicht nur mit vielen Linken und "Multikulti"-Träumern in Europa, er sprach in Globus nur aus, was viele heute noch denken: "Das war doch alles Jugoslawien, wenn ich mich recht erinnere. So viele Jahre seid ihr zusammen gewesen, und es gab viele Gründe, warum ihr hättet zusammenbleiben sollen." Auch für die Regierenden in London, Paris oder Moskau war das Ende der SFRJ 1992 nur schwer verdaulich.

Doch Handke geht einen Schritt weiter - er verharmlost und relativiert nicht nur, sondern er leugnet schlicht die geschichtliche Wahrheit. Die Belagerung und der Beschuß der südkroatischen Adriastadt Dubrovnik durch die Jugoslawische Volksarmee (JNA) - bis 1990 eine der höchstgerüsteten Armeen in Europa - begann am 19. Juni 1991. In den folgenden Monaten gingen Tausende JNA-Granaten auf die "Perle der Adria" nieder. Zwei Uno-Berichte ("The battle of Dubrovnik", "Destruction of cultural property report" 1994), erstellt von kanadischen und norwegischen Militärexperten, listen die Schäden - auch in der Altstadt, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt - in allen Einzelheiten auf. Über 11.000 Gebäude wurden zerstört oder beschädigt. Der materielle Schaden betrug schätzungsweise 250 Millionen Euro. Daß dabei "nur" 114 Zivilisten und 200 Soldaten (laut Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes) ums Leben kamen und die JNA-Belagerung schließlich erfolglos blieb, grenzt an ein Wunder.

Daß Hanke, etwa bezüglich des Nato-Bombardements 1999, "Gerechtigkeit für Serbien" einfordert, ist ihm hoch anzurechnen. Doch dazu sind keine Kriegslügen von 1991 notwendig. Im Gegenteil, damit macht er sich völlig unglaubwürdig und schadet sogar seiner Sache - und den Serben.


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