© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 29/06 14. Juli 2006

Rot-rote Abenddämmerung
Mecklenburg-Vorpommern: Vor der Landtagswahl am 17. September scheinen die Gemeinsamkeiten von SPD und PDS erschöpft
Christian Anders

Am 17. September können die Bürger Mecklenburg-Vorpommerns über die Zusammensetzung eines neuen Landesparlamentes abstimmen. Beschieden wird dabei auch über die Zukunft der ersten rot-roten Landesregierung der Bundesrepublik.

Seit acht Jahren wird das Bundesland zwischen Elbe und Stettiner Haff von einer Koalition aus SPD und PDS regiert. Mehrfach hatte sich die CDU, die das Land zwischen 1990 und 1998 regiert hat, in den vergangenen Jahren angeschickt, die rot-rote Koalition zu beenden. Zuletzt scheiterte der ambitionierte Versuch, der zeitweise als "Prima-Klima-Club" bezeichneten Koalition ein Ende zu bereiten, mit der Landtagswahl 2002. Auch die Zahlen der aktuellen Umfragen sprechen eher für die Fortführung des Regierungsbündnisses. Die PDS erwartet mit ihrem Spitzenkandidaten Wolfgang Methling ein starkes Ergebnis und kommt derzeit auf 24 Prozent. CDU und SPD befinden sich gleichauf bei etwa 30 Prozent. Für FDP und Grüne scheint der Einzug ins Schweriner Parlament wie gehabt fraglich. Die NPD gibt sich dagegen angesichts von durchschnittlich vier Prozent in den Umfragen optimistisch.

Strategisch befinden sich die Sozialdemokraten trotz zu erwartender Stimmeneinbußen im Drei-Parteien-Parlament von Schwerin nach wie vor im Vorteil. Sie können sich mit Blick auf mögliche Koalitionen zwischen zwei Optionen entscheiden.

So ist einerseits eine Fortführung der aktuellen Regierungskoalition denkbar. Als der Landtag in der vergangenen Woche die reguläre Arbeit der Legislaturperiode beendete, warben SPD und PDS mit den Erfolgen ihrer Koalition: Vage Anzeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs und eine in den vergangenen Wochen marginal rückläufige Arbeitslosenquote. Außerdem brüstet sich Rot-Rot mit der Durchsetzung dreier Reformgroßprojekte - einer Schul- und einer Hochschulreform sowie einer Gebietsneugliederung, mit der die 18 Stadt- und Landkreise zu fünf Großkreisen zusammengefaßt werden. Tatsächlich brodelt es jedoch hinter den Kulissen der vermeintlich erfolgreichen Regierungspartner. Der rot-rote Prima-Klima-Club der Jahre 1998 bis 2002 fand in seiner zweiten Legislaturperiode keine Fortsetzung.

Nicht nur Pessimisten befürchten, daß der leichte wirtschaftliche Aufschwung im Bundesland bald wieder abflaut. Nach wie vor ist Mecklenburg-Vorpommern das Bundesland mit der höchsten Arbeitslosenquote der Republik. Selbst in der SPD scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, daß fortwährende Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem SPD-geführten Wirtschafts- und dem unter Leitung der PDS stehenden Arbeitsministerium zumindest als eine Ursache für eine schwer zu durchschauende Arbeitsmarktförderpolitik betrachtet werden müßten. Im Arbeitsministerium werde die "PDS Klientel bedient", empörte sich der SPD-Vorsitzende Till Backhaus über den dunkelroten Koalitionspartner.

Die radikale Kreisgebietsreform, Kernvorhaben der Koalition seit 2002, konnte die PDS nur gegen erheblichste Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzen. Die Parteispitze klebe um jeden Preis an den Sesseln der Macht, tönte es von der Basis, die ihrerseits in vielen Fragen die totale Opposition einer Regierungsbeteiligung vorziehen würde.

In vielen Politikfeldern befinden sich die PDS-Minister in einem andauernden Zielkonflikt. So dürfen sie einerseits mit Blick auf die Wahlergebnisse der Partei nicht die eigenen Anhänger verprellen. Dadurch werden jedoch gleichermaßen bereits angekündigte Besuche bei Gegendemonstrationen anläßlich des im nächsten Jahr anstehenden G8-Gipfels im mecklenburgischen Seebad Heiligendamm und der Bush-Visite im vorpommerschen Stralsund in dieser Woche zur postkommunistischen Pflicht. Sozialdemokratische Disziplinierungsmaßnahmen sind die Folge. Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Harald Ringstorff betonte auf dem SPD-Landesparteitag im April, die PDS könne nicht gleichzeitig Regierung und Opposition sein. Backhaus äußerte mit Blick auf die Protesthaltung der PDS in einem Radiointerview gar, daß die roten Minister sicher weniger Hemmungen hätten, anstelle des US-Präsidenten Leonid Breschnew mit "Winkelementen" zuzujubeln.

Derlei rot-rote Zwistigkeiten dürften die alternative sozialdemokratische Koalitionsoption reizvoller denn je gestalten. Dafür spricht zum einen eine Personalie: Eckhardt Rehberg, Spitzenkandidat der Landes-CDU bei der Wahl 2002. Rehberg galt als Intimfeind Ringstorffs.

Die CDU träumt von der Großen Koalition

Die Antipathie zwischen den Landespolitikern ließ eine Zusammenarbeit von SPD und CDU lange als nahezu ausgeschlossen erscheinen. Rehberg wechselte jedoch nach der vergangenen Bundestagswahl vom Schweriner ins Berliner Parlament. An seine Stelle rückte der enge Merkel-Vertraute und jetzige CDU-Anwärter auf den Ministerpräsidentenposten, Jürgen Seidel.

Für den großkoalitionären Traum der Union sprechen auch die durchaus überbrückbaren programmatischen Differenzen zwischen CDU und SPD. Kernthemen beider Parteiprogramme: Familie, Arbeit und Bildung. Die größten programmatischen Differenzen zwischen CDU und SPD in der Schul- und Hochschulpolitik werden derzeit auf Bestreben beider Parteien von einer sachlich unabhängigen Expertenkommission neu und pragmatisch bewertet. Für welche ihrer beiden Optionen sich die SPD letztlich entscheidet, kann nur vermutet werden. Ringstorff und seine Genossen geben sich in der Koalitionsfrage jedoch deutlich offener als 2002.


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