© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 28/06 07. Juli 2006

Der Gegner für die Familie ist der Wohlfahrtsstaat
Hayek-Symposium in Erfurt: "Die Familie in Ruhe lassen und ihr Eigenverantwortlichkeit zurückgeben"
Klaus Peter Krause

Prinzipieller Gegner von Familie und Privateigentum ist der Wohlfahrtsstaat; er tendiere zur Auflösung der Familie. So der Standpunkt des Wirtschaftswissenschaftlers Gerd Habermann von der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer. "Die beste Ordnungspolitik ist die, die die Familie in Ruhe läßt und ihr die Eigenverantwortlichkeit zurückgibt und nicht Zustände subventioniert, die sie auflösen. Die beste Familienpolitik ist das Beenden der Familienpolitik. Gäbe es keine Bevölkerungspolitik, dann hätten wir auch mehr Kinder." Habermann sprach und diskutierte beim Symposium der Hayek-Gesellschaft, die sich in diesem Jahr für ihre "Hayek-Tage" Erfurt als Veranstaltungsort ausgesucht hatte. Das Symposium stand unter dem Thema "Demographie und Ordnungspolitik". Die Hayek-Gesellschaft will die Erkenntnisse des großen Liberalen, Sozialphilosophen und Nationalökonomen Friedrich A. von Hayek (1899-1992) für Staat und Gesellschaft wachhalten, vertiefen und vermitteln, vor allem seine Gedanken zu Freiheit, Eigentum und Recht.

Aus liberaler Sicht hält es Habermann für kritisch, daß das Hauptanliegen des paternalistischen Wohlfahrtsstaates zu sein scheint, die Familie finanziell und in ihren verschiedenen Aufgaben schrittweise zu ersetzen. "Der systematische Ausbau von zwangsweise finanzierten Familienersatzeinrichtungen muß die Familie als Verantwortungs-, Risiko- und Gefahrengemeinschaft schwächen." Als ein Beispiel dafür, daß familiäre Solidaritätsstrukturen aufgelöst würden, führte er das sogenannte Hartz-IV-Gesetz an, das die gegenseitige Hilfepflicht von Eltern und Kindern im Fall der Arbeitslosigkeit aufhebe. Kosten, die ursprünglich die Familie übernommen habe, seien auf diese Weise sozialisiert worden.

Eltern werden zu Reproduktionsfunktionären

Aufgelöst werde die familiäre Eigenverantwortlichkeit auch durch Kindergelder, Baukindergelder, Erziehungsgelder, Elterngelder. "Die Eltern sinken zu staatlich bezahlten Reproduktionsfunktionären herab." Überdies hätten sie ihre staatliche Bezahlung auch noch weitestgehend selbst zu finanzieren, denn "bekanntlich ist der Staat keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden nur gemolken zu werden braucht". Die bezahlte ("monetarisierte") Arbeit wird, wie Habermann ferner sagte, einseitig politisch verherrlicht und die "doch schlechthin entscheidende Basisarbeit der Familie, die nicht in die Ziffern des Bruttosozialprodukts eingeht", abgewertet.

Hans-Günter Krüsselberg von der Universität Marburg warf die Frage auf: Ist schrumpfende Bevölkerung eine Folge der Kollektivierung von Eigentum und Familie? Der Wirtschaftswissenschaftler knüpfte an eine These des bedeutenden Soziologen und Zivilisationstheoretikers Norbert Elias (1895-1990) an: Durch zahlreiche Eingriffe des Staates in die Verantwortlichkeit der Familie hätten sich Desintegrationsprozesse entwickeln können, die in Wirtschaft und Gesellschaft zu Wohlstandseinbußen geführt hätten. Krüsselberg gab auf die Eingangsfrage zwar keine direkte Antwort, aber seine Ausführungen und die anderer Teilnehmer schienen durchzogen von einem immanenten Ja.

Krüsselberg beleuchtete, welche Bedeutung die Familie im Denken Hayeks einnimmt. Es gebe nur wenige Autoren, die auf die ökonomische Bedeutung der Institution "Familie" hinwiesen, geschweige denn auf deren ordnungspolitische Bedeutung. Hayek sei da eine gewisse Ausnahme. Ihm verdanke das Fach zumindest die These, zwei entscheidende Moralregeln seien die Voraussetzung dafür, daß die heutige humane Gesellschaftsordnung entstanden sei und erhalten bleibe.

Das seien jene Regeln, die die Institutionen des Eigentums und der Familie stützten. Sie erst ermöglichten sowohl die Entwicklung der heutigen Kultur als auch das weitere Vordringen der Zivilisation. Und sie hätten denjenigen Gruppen, die diese Moralregeln praktizierten, die größten Vermehrungsmöglichkeiten geboten. Danach ist Bevölkerungswachstum, wie Krüsselberg betonte, ein Resultat stabiler Institutionen des Eigentums und der Familie. Nach Hayek wachse eine Bevölkerung immer dann, wenn die Gesellschaft die Institutionen Privateigentum und Familie stütze und schütze. Elias sieht in der Familie, worauf Krüsselberg ebenfalls hinwies, sogar die "primäre, ganz unentbehrliche Überlebenseinheit für den einzelnen Menschen".

Die Deutschen ziehen Gleichheit der Freiheit vor

Hayek betone, daß in der kulturellen Entwicklung das Individuum seine Gewohnheiten und sein Wissen grundlegend über seine Eltern erwerbe. Krüsselberg: "Das, was hier vererbt wird, sind zunächst die Grundmuster der Verhaltensweisen, welche allein die Familie vermittelt. Alle anderen Bildungssysteme sind darauf angewiesen, daß die Daseinskompetenzen, nicht zuletzt die Lern- und Bildungsfähigkeit, in den Familien erworben wurden. Die Zuwendung von Eltern an ihre Kinder ist der Schlüssel für den Weg in die Gesellschaft, ins Alltagsleben, das heißt für den Aufbau, die Pflege und die Entfaltung ihrer Handlungspotentiale."

Solche Zuwendungen seien in der ökonomischen Sichtweise Investitionen. "Diese Leistungen von Eltern an ihre Kinder sind die Grundlage für alle weiteren gesellschaftlich wichtigen Investitionen in den Menschen."

Mit starkem Beifall bedacht wurde der Vortrag von Elisabeth Noelle-Neumann vom Institut für Demoskopie in Allensbach über "Die Zukunft der Freiheit". Ihr (und dem Autor Günter Ederer) hat die Hayek-Gesellschaft in Anerkennung ihres Wirkens für eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Hayek-Medaille 2006 verliehen, die auch mit je 10.000 Euro dotiert ist. Die Grande Dame der empirischen Sozialforschung, die jetzt in ihrem neunzigsten Lebensjahr steht, fesselte die Zuhörer unter anderem mit den Umfrageergebnissen zu den Werten Freiheit und Gleichheit.

Seit 1990 befragt ihr Institut einen repräsentativen Teil der deutschen Bevölkerung alljährlich: "Was hat für Sie Priorität: Freiheit oder Gleichheit?" Damals, im Jahr der deutschen Vereinigung, gaben noch 63 Prozent der Befragten den Vorrang der Freiheit, nur 28 Prozent der Gleichheit. Im weiteren Verlauf der Jahre näherten sich die Werte immer mehr einander an, überschnitten sich zum Teil sogar. Nach mittlerweile 16 Jahren Einheit sind 2006 sogar nur noch 41 Prozent vorrangig für Freiheit und fünfzig Prozent für Gleichheit. Der Soziologe Max Weber, sagte Noelle-Neumann, habe vom "Zauber der Freiheit" gesprochen, aber die Menschen in Deutschland seien für diesen Zauber weniger empfänglich geworden.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen