© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 27/06 30. Juni 2006

Trendsport Kartenspielen: Der Bluff etabliert sich in Deutschland
Pokerface auf Vormarsch
Frank Liebermann

New York 1936. Cincinnati Kid steht seinem härtesten Gegner gegenüber. Er muß sich in einem dramatischen Endspiel dem Pokerkönig Lancy Howard stellen. Der Filmklassiker mit Steve McQueen und Edward G. Robinson zeigt verrauchte Saloons, Geldhaufen und Menschen, die dem Spiel verfallen sind. Heute hat sich dieses Milieu grundlegend geändert. Poker ist inzwischen eine Trendsportart, fast so wie Golf, Tennis oder Beachvolleyball.

Deutscher Turnier-Pionier Horst Koch gründet die GPPA

In Deutschland hat Horst Koch das Spiel populär gemacht. Er hat die German Poker Players Association (GPPA) gegründet. Horst Koch, ein Schwabe und Gewinner von verschiedenen großen Turnieren in der Welt, will Poker mit der Etablierung einer seriösen Variante des Spiels zum Gesellschaftssport machen. Fernab von Kasinos können Spieler bei der GPPA mit kleinem Geldeinsatz in einer rauchfreien Atmosphäre Sachpreise gewinnen. Bei den für jedermann offenen Turnieren wird in der Regel nach K.O.-System gespielt. Mit jeder Runde halbiert sich die Anzahl der Spieler, bis zum Schluß nur noch einer übrig ist. Jeder Spieler bekommt beim Start dieselbe Anzahl an Jetons. Wer am Ende die von allen anderen besitzt, ist der Sieger des Turniers. Die Spieler sehen lustig aus. Sonnenbrillen sollen die verräterischen Blicke verdecken, Ohrstöpsel schützen vor dem Umgebungslärm, oder MP3-Spieler sorgen für eine ruhige Hand durch Entspannungsmusik. Die Sieger gewinnen Reisen, Kaffeemaschinen und andere Sachpreise. Nur Geld gibt es keines. Das ist den staatlichen Kasinos vorbehalten.

Die Geschichte des Pokerspiels begann vor über 400 Jahren. Urvater des Pokers ist das deutsche Spiel "Pochen", eine Kombination von 32 Karten und einem Brettspiel. Von den Franzosen wurde das Spiel unter dem Namen "Poque" weiterentwickelt. Einwanderer in die USA brachten es nach New Orleans mit, von wo aus es sich sehr rasch in Amerika ausbreitete. Erstmals erwähnt wurde das Spiel dort 1805. Nach und nach entwickelten die Spieler ein einfaches Regelwerk, welches um den Tausch von Karten, den Flush und andere Gewinnblätter erweitert wurde. Während des amerikanischen Bürgerkriegs 1865 kam eine neue Variante hinzu. Die letzten Karten wurden aufgedeckt, um die Spannung zu erhöhen. Daraus entstand dann gegen 1950 die heute beliebteste aller Pokervarianten Texas Holdem.

Seinen großen Boom hat das Pokern durch das Internet bekommen. Dort können Spieler weltweit in Online-Kasinos gegeneinander antreten. Der Markt ist riesig und noch immer am Wachsen. Schätzungen zufolge frönen weltweit über 10 Millionen Spieler regelmäßig ihrem Hobby im Internet.

Ein Vorteil im Internet ist die hohe Bandbreite der Einsätze. So ist es möglich, um nur wenige Cent zu spielen, Limits nach oben sind meist nur durch die Möglichkeiten der Kreditkarte begrenzt. Im Internet kann ein Spieler parallel an mehreren Tischen spielen. Damit können sich Gewinne und Verluste auch bei kleinen Einsätzen schnell multiplizieren.

Anders als bei der GPPA geht es in staatlichen Kasinos um Geld

Rechtlich gesehen sind Online-Kasinos in einer Grauzone. In Deutschland dürfen nur staatlich lizenzierte Institutionen Glücksspiele anbieten. Da die Server aber meist in anderen Ländern stehen, hat der Staat hier einmal mehr das Nachsehen.

Seinen besonderen Reiz bezieht Poker daraus, daß es kein reines Glücksspiel ist. Wäre es das, gäbe es nicht unzählige Personen, die als Profis gut davon leben können. Zufall sind die Karten, die der Spieler am Anfang bekommt. Von nun an überwiegen aber die taktischen und strategischen Effekte. Ein guter Spieler weiß, wann er auch ein schlechtes Blatt spielen kann oder ein gutes wegwerfen muß. Kennt sich ein Spieler noch mit Wahrscheinlichkeiten und Statistiken aus, kann er den Faktor Glück weiter reduzieren.

Anders als bei der GPPA geht es in den staatlichen Spielkasinos um Geld. Hier können die Zocker harte Euro gewinnen. Preisgelder von 20.000 Euro sind inzwischen auch in Deutschland möglich. In der Heimat des Pokers, den USA, lassen sich auch Millionenbeträge an Preisgeldern erzielen. Die Höhe des Gewinns spiegelt sich allerdings auch in den Startgeldern wider. Während man in Deutschland in der Regel mit weniger als 1.000 Euro dabei ist, kostet eine Teilnahme an Spitzenturnieren in Las Vegas gerne einmal 50.000 Dollar. Trotz allem ist die Teilnahme an den limitierten Turnieren begehrt, denn finanziell ist Poker äußerst interessant. Ob im Kasino oder online - Gewinne aus Glückspielen sind in Deutschland steuerfrei.


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